Steigflug oder Bruchlandung – Flugzeugrecycling aus abfallwirtschaftlicher Sicht –

2013 war ein gutes Jahr für die Hersteller von Verkehrsflugzeugen: Boeing und Airbus lieferten insgesamt 1.274 Maschinen aus. Im gleichen Zeitraum gingen Bestellungen für insgesamt 3.150 Flugzeuge bei den beiden Herstellern ein. Damit wird der Steigflug dieser Branche weiter fortgesetzt: Im September 1970 wurde der erste A300B2 bestellt und im Dezember 1970 Airbus Industries gegründet. Im Oktober 1972 war der A300-Erstflug. Insgesamt wurden von Airbus bis Dezember 2013 8.256 Flugzeuge ausgeliefert, von denen noch 7.622 betrieben werden. Noch 5.559 offene Bestellungen liegen bei Airbus vor, unter anderem werden derzeit monatlich 42 A320 ausgeliefert. Mit mittleren Nutzungszeiten zwischen 20 und 30 Jahren kann in absehbarer Zeit mit einem erheblichen Anstieg der Zahl von Verkehrsflugzeugen gerechnet werden, die zur Beseitigung anstehen.

Den größten Anteil daran haben die Kurzstreckenmodelle B737 und A300/318/319/320, die Reichweiten um etwa 7.000 km und eine Kapazität von etwa 125 bis 185 Passagieren aufweisen. Es zeigt sich ein erhebliches Potenzial für die Rückgewinnung hochwertiger Werkstoffe, v. a. von Leichtmetall-Legierungen, aus diesen Anwendungen. Nimmt man eine Produktmasse nach der Trockenlegung von etwa 90 Tonnen an, so werden ausgehend von derzeit etwa 30.500 Tonnen im Jahr 2021 bereits etwa 72.600 Alt-Flugzeug-Materialien und Komponenten zur Verfügung stehen.

Ein Massenvergleich in einer Studie der französischen Forschungsorganisation ADEME am Beispiel Frankreich kommt jedoch zu einer anderen Einschätzung: Für Frankreich wird mit einem Aufkommen von etwa 50 Altflugzeugen pro Jahr gerechnet, die mit einer geschätzten Masse von 100 Tonnen pro Flugzeug zu einem Potential von insgesamt 5.000 Tonnen pro Jahr zu entsorgenden Teilen und Werkstoffen führen. Im gleichen Zeitraum fallen jedoch unter anderem etwa eine Million Alt-Kraftfahrzeuge im gleichen Gebiet an, die mit einer Gesamtmasse von 1.250.000 Tonnen ein 250 mal höheres Massen-Potenzial für eine (stoffliche) Verwertung repräsentieren. Abschätzungen gehen davon aus, dass für Leichtbau-Werkstoffe im Flugzeugbau etwa hundertfach höhere Werkstoffkosten als im Kfz-Bereich zur Minimierung der Produktmasse zugelassen werden. Rechtfertigen diese höheren Werkstoff-Kosten und damit potenzielle Recycling-Erlöse trotz der geringeren Anzahl der Altprodukte das Flugzeugrecycling? Ist eine Produktmasse von nur 0,4 Prozent der Alt-Kfz ausreichend, um den Aufbau einer Recyclingwirtschaft empfehlen zu können?



Copyright: © TK Verlag - Fachverlag für Kreislaufwirtschaft
Quelle: Recycling und Rohstoffe 7 (2014) (Juni 2014)
Seiten: 12
Preis inkl. MwSt.: € 0,00
Autor: Prof. Dr.-Ing. Jörg Woidasky

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