Investitionen minimiert - Biologische Abwasserreinigung in der Kläranlage Dresden-Kaditz

Zur Reinigung der anfallenden Abwässer betreibt die Stadtentwässerung Dresden eine Reihe von Kläranlagen. Die modernste und größte ist die Kläranlage in Kaditz. Nach 14-jähriger Bau- und Umbauzeit ging vor kurzem die biologische Abwasserreinigung offiziell in Betrieb.

(18.04.07) Im November 2004 wechselt die biologische Abwasserbehandlung innerhalb weniger Tage aus der Altbeckenanlage in den nach zweijähriger Bauzeit fertig gestellten Neubaukomplex. Das belüftbare Belebungsbeckenvolumen ist darin mit insgesamt 96.200 m³ fast 10-mal größer als in der Altanlage. Anstelle der zehn rechteckigen Doppelbecken stehen jetzt für die Nachklärung sechs Rundbecken mit einem Innendurchmesser von 48,5 m zur Verfügung. Deren Kapazität sichert auch im Mischwasserfall bis zur geforderten Zulaufmenge (Qm = 2Qs + Qf) die vollständige Reinigungsleistung. Auf den Abwasserzuwachs ab Januar 2006 infolge der Überleitung aus dem Entsorgungsraum Heidenau/Pirna wurde das Neubauprojekt unmittelbar vor dem Baubeginn Ende 2002 eingestellt.

Am 03. Juni 2005 wurde die neue Biologie feierlich eingeweiht. Zwischen den Reinigungsergebnissen der alten Teilbiologie und der Neuanlage liegen Welten. Zusammen mit den weiteren Teilprojekten, wie dem Neubau des Ablaufkanals in die Elbe, der erweiterten zentralen Energieversorgung und der neuen Warte wurden Investitionen mit einem Gesamtvolumen von rund 60,4 Mio. Euro ihrer Bestimmung übergeben - die bisher größte Ausbauetappe in der Geschichte der Kläranlage Dresden-Kaditz Doch der geplante Ausbau der biologischen Abwasserbehandlung war damit noch nicht abgeschlossen.

Auf dem Plan stand als 2. Bauabschnitt der Umbau der Altbeckenanlage. Für etwa 10 Mio. Euro sollte hier die Stufe der vorgeschalteten Denitrifikation entstehen. Erst mit dieser Komplettierung wird die geforderte Stickstoffablaufkonzentration von 13 mg/l Nges sicher eingehalten. Gemäß Planfeststellungsbeschluss stand dafür der 01.01.2006 als unverrückbare Terminforderung. Die Besucher der Einweihungsfeierlichkeiten im Sommer 2005 hätten also neben den fertig gestellten Neubauten schon wieder regen Baustellenbetrieb erleben müssen, doch weit und breit davon keine Anzeichen. Was war geschehen?

Zunächst eine Kurzbeschreibung der gewählten Verfahrenstechnologie. Auf der Basis halbtechnischer Versuche wurden 1997/98 verschiedenen Verfahrensvarianten entwickelt. Im technischen und wirtschaftlichen Vergleich erwies sich für die Standortverhältnisse in Dresden-Kaditz das einstufige Belebungsverfahren mit vorgeschalteter Denitrifikation als klare Vorzugslösung. Die biologischen Reinigungsprozesse konzentrieren sich in einer Beckenstufe. In Kaditz sind das die sechs Umlaufschlaufenbecken mit einer Wassertiefe von 7,50 Meter. Das Abwasser/Belebtschlamm-Gemisch wird darin durch Horizontalrührwerke in ständiger Vorwärtsbewegung gehalten. Ein Beckenumlauf misst 240 Meter. Die mittlere Verweilzeit des Abwassers liegt bei etwa 24 Stunden.

Für die Verfahrensführung sowie für die Dimensionierung und Ausgestaltung der Beckenanlage und Belüftungskapazität ist die biologische Stickstoffelimination der bestimmende Faktor. Sie läuft in mehreren ineinander greifenden Teilschritten ab. In Belebungsbecken vollzieht sich zunächst die Nitrifikation, gemeint ist damit die Oxydation von Ammonium-Verbindungen (NH4++ ) bis zum Nitrat (NO3-). Die darauf spezialisierten Mikroorganismen werden mit Sauerstoff versorgt, der in feinsten Luftblasen eingetragen wird und zugleich für eine intensive Durchmischung sorgt. In den Belebungsbecken sind auf nahezu der gesamten Sohlfläche Belüftungsgitter angeordnet. Die Generationszeit der Nitrifikate beträgt ein Vielfaches von jenen Bakterien, die im gleichen Belegungsbecken für den Abbau der organischen Verunreinigungen sorgen.

Der Ablauf der Belebungsbecken ist reich an Nitraten und weitgehend frei von gelösten organischen Stoffen. Ist in diesem Abwasser gelöster Sauerstoff nicht mehr verfügbar, sind viele Mikroorganismen in der Lage, stattdessen Nitratsauerstoff zu veratmen. Dabei wird der Stickstoff freigesetzt und entweicht in die Atmosphäre. Dieser Vorgang nennt sich Denitrifikation. Je nach Belastungssituation können im Belebungsbecken Belüftungsgitter auf bestimmten Streckenabschnitten oder auch zeitweilig im Gesamtbecken abgeschaltet werden. In diesen Zonen bildet sich dann die Denitrifikation aus - der Technologe spricht von der simultanen bzw. intermittierenden Denitrifikation.

Die Nachnutzungsmöglichkeit der alten Biologie für die Stufe der vorgeschalteten Denitrifikation lag auf der Hand und wurde in der weiteren Ausgangsplanung zur Vorzugsvariante. Die gegebene Anordnung und das verfügbare Beckenvolumen sprachen für diese Lösung, wenngleich mit der alten Bausubstanz und den nicht unerheblichen Ertüchtigungsanforderungen der Investitionsvorteil auch mit einigen Risiken verbunden war.

Die entscheidende Frage war aber die nach der weiteren Entwicklung der Abwassermengen und Schmutzfrachten. Zu Beginn der Ausbaukonzeption und Planung stehen mit 1995/96/97 gerade mal drei Jahre verwertbare Zulaufdaten zur Verfügung. Die besonderen Nachwende-Auswirkungen sowie die generelle Neustrukturierung des gewerblichen und privaten Wassermarktes erschwerten die mittelfristige Prognose zusätzlich. Als maßgebend für die weitere Ingenieurplanung wurde die Ist-Situation erklärt. Ein perspektivischer Zuwachs kam also nicht mehr zum Ansatz. Klar, dass in den weiteren Betriebsjahren die Zulaufentwicklung unter ganz besonderer Beobachtung stand. Für die laufende Auswertung war die Zusammenarbeit mit der TU Dresden, dem Institut für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft, eine große Unterstützung. Neben der einfachen Zulaufstatistik und Fortschreibung maßgebender Lastfälle konnten die Auswirkungen neuer Erkenntnisse in Bezug auf Betrieb und Gesamttechnologie anhand einer dynamischen Modellrechnung simuliert werden. Ab dem Jahr 2000 zeichnet sich immer klarer ab, dass die noch fehlende vorgeschaltete Denitrifikationskapazität deutlich kleiner ausfallen kann als ursprünglich geplant. Dadurch stand die Frage Umbau Altbecken oder Neubau ebenfalls im neuen Licht. Als Ende 2003 der Termin für die Ausschreibung des geplanten Komplettumbaus anstand, wurde dieser endgültig verworfen. Die ideale Grundlage für eine bedarfsgenaue Neuauslegung wäre gegeben gewesen, wenn noch weitere Jahresreihen an Zulaufdaten und vor allem Betriebserfahrungen mit der neuen Biologie hätten herangezogen werden können. Ein Aufschub für die behördlich geforderte Stickstoffelimination zum 01.01.2006 konnte jedoch auf keinen Fall beansprucht werden. Deshalb sollte im Rahmen des ersten Betriebsjahres der neuen Biologie kurzfristig festgestellt werden, ob auch über die simultane und/oder intermittierende Denitrifikation allein die Reinigungsleistung zu gewährleisten ist. Die bewusste Ausnutzung dieser Verfahrensoption erfordert zwar erhöhte Betriebs- und Prozessaufwendungen, doch diese relativieren sich sehr schnell, wenn über den Zeit- und Erkenntnisgewinn schließlich eine Minimierung der weiteren Ausbauinvestitionen in Millionenhöhen erzielt werden würde.

Die Testphasen im 1. HJ 2005 zeigen dann aber, dass die Einhaltung der Ablaufkonzentration von 13 mg/l Gesamt-Stickstoff nicht für alle denkbaren Lastfälle ausreichend sicher garantiert werden kann. Deswegen wurde im August 2005 entschieden, als Übergangslösung eine Teilkapazität der alten Beckenanlage mit sehr vereinfachten Aufwendungen für eine vorgeschaltete Denitrifikation herzurichten.

In nur 12 Monaten wurde die Übergangslösung konzipiert, geplant, ausgeschrieben und gebaut und ist nun seit 02.08.2006 in Betrieb. Sechs ehemalige Belebungs- und acht Nachklärbecken gehören nun wieder zur Betriebsanlage - knapp 40 Prozent des alten Gesamtvolumens. Bis auf zwei neue Begrenzungswände wurde praktisch kein neuer Beton eingebaut. Der bauseitige Hauptaufwand erstreckte sich vor allem auf das Ausschneiden neuer Wehrüberfälle, auf Wanddurchbrüche sowie auf die Verlängerung und Einbindung der Rücklaufschlamm- und Rezirkulationsleitungen. Ausrüstungsseitig sind die Becken und Gerinne mit insgesamt 24 Rührwerken ausgestattet. Deren gesamter Leistungsbedarf liegt bei 67 kW. Hinzu kommt lediglich noch der Energieverbrauch der schon im 1. BA montierten 9 Rezirkulationspumpen mit jeweils 15 kW maximaler Anschlussleistung. Neben den prozesstechnischen und betriebswirtschaftlichen Vorteilen ist mit der vorgeschalteten Denitrifikation nun auch unter schwierigen Zulaufverhältnissen und bei niedrigen Abwassertemperaturen (bis 12 °C) die Einhaltung der Ablaufkonzentrationen für den Stickstoff gesichert.

Für einen vorläufigen vollständigen Verzicht auf die vorgeschaltete Denitrifikation war das Risiko doch zu groß. Für die vereinfachte Herrichtung eines Teil der Altbeckenanlage wurde jedoch nur ein Zehntel des ursprünglich veranschlagten Investionsbedarfes beansprucht. Eine große Investition infolge veränderter Rahmenbedingungen bewusst in Zukunft verschoben zu haben, ist der eigentliche Hauptgewinn. Der weitere Erkenntniszuwachs über die Zulaufentwicklung und das Verhalten der Betriebsanlage mit nun (provisorisch) komplettierter Verfahrenstechnologie wird mit jedem Jahr die Planungssicherheit erhöhen. Unter Beachtung möglicher weitergehender Reinigungsanforderungen und technologischer Weiterentwicklungen ergeben sich sogar noch zusätzliche Handlungsspielräume und Freiheitsgrade für später anstehende Ausbauerfordernisse.

Zusatzinformation: Modernes Energiekonzept spart Kosten
Der Verbrauch von Energie stellt einen wesentlichen Kostenfaktor der Kläranlage Dresden-Kaditz dar. Die meiste Energie verbrauchen die Pumpen der Abwasserförderung sowie die Druckluftgebläse für die biologische Reinigungsstufe. Erhebliche Erdgasmengen benötigt zudem die Anlage zur Schlammbehandlung. Eine wichtige Aufgabe der Mitarbeiter der Stadtentwässerung ist es deshalb, diesen Energieverbrauch durch genaue Abstimmung der Betriebsabläufe zu minimieren.

Daneben setzt die Stadtentwässerung Dresden auch auf die Erzeugung von Energie. So ist im Auslauf der Kläranlage zur Elbe eine Turbine installiert, die den Höhenunterschied von rund fünf Metern zur Energiegewinnung nutzt. Bei einer Nennleistung von 138 Kilowatt (kW) können so ca. 650 Megawattstunden (MWh) pro Jahr erzeugt werden. Zusätzlich befindet sich auf der Dachfläche des Regenüberlaufbeckens eine Fotovoltaikanlage mit einem Jahresertrag von 160 MWh. So können derzeit mehr als 4 Prozent des Gesamt-Energieverbrauchs der Kläranlage durch regenerative Energiequellen gedeckt werden.

Die erheblichen Schlammmengen, die in der Kaditzer Anlage anfallen, können auch zur Gewinnung von Biogas genutzt werden. Für 2007 ist der Baustart für zwei Faulbehälter mit jeweils 8.000 Kubikmeter Volumen geplant. Hier könnten täglich 12.000 Kubikmeter Biogas erzeugt werden, die als Ersatz für das bisher verwendete Erdgas in der Schlammtrocknung dienen würden.


Unternehmen, Behörden + Verbände: Stadtentwässerung Dresden
Autorenhinweis: Michael Krenz, Stadtentwässerung Dresden



Copyright: © Deutscher Fachverlag (DFV)
Quelle: März/April 2007 (April 2007)
Seiten: 4
Preis inkl. MwSt.: € 0,00
Autor: Michael Krenz

Artikel weiterleiten Artikel kostenfrei anzeigen Artikel kommentieren


Diese Fachartikel könnten Sie auch interessieren:

Naturnahe Abwasserentsorgung im ländlichen Raum
© DIV Deutscher Industrieverlag GmbH / Vulkan-Verlag GmbH (6/2007)
In der Vergangenheit wurden häufig Entwässerungsstrukturen, die sich in urbanen Siedlungsgebieten bewährt haben, kritiklos auf den ländlichen Raum übertragen. Dies hatte in erster Linie eine Ableitung des Abwassers in oft kilometerweit entfernte Kläranlagen zur Folge.

Abbau von PFAS durch nicht-thermisches Plasma in einem Blasensäulenreaktor
© Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben (12/2024)
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind persistente organische Chemikalien, die zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt führen. Daher wurden in verschiedenen Richtlinien der EU (Trinkwasserrichtlinie, Vorschlag zur Grundwasserrichtlinie, Vorschlag zur Umweltnormenrichtlinie) Grenzwerte festgelegt.

Der Referentenentwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des WHG
© Lexxion Verlagsgesellschaft mbH (8/2024)
Ende Februar 2024 wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz der Referentenentwurf eines „dritten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes“ vorgelegt.Der RefE-WHG verfolgt den Zweck, nationale Regelungen zur Ergänzung der Europäischen „Verordnung (EU) 2020/741 vom 25. Mai 2020 über Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung“ zu erlassen.

Breites Leistungsspektrum
© Rhombos Verlag (3/2019)
Für die Phosphorrückgewinnung aus Abwasser und Klärschlamm stehen aus technischer und ökonomischer Sicht verschiedene Verfahren zur Verfügung

Düngewirkung von P-Rezyklaten
© Rhombos Verlag (3/2019)
Bei der Abschätzung der Pflanzenverfügbarkeit und agronomischen Effizienz klärschlammbasierter Recyclingdünger ergeben sich methodische Schwierigkeiten und mögliche Alternativen

Name:

Passwort:

 Angemeldet bleiben

Passwort vergessen?

Der ASK Wissenspool
 
Mit Klick auf die jüngste Ausgabe des Content -Partners zeigt sich das gesamte Angebot des Partners
 

Selbst Partner werden?
 
Dann interessiert Sie sicher das ASK win - win Prinzip:
 
ASK stellt kostenlos die Abwicklungs- und Marketingplattform - die Partner stellen den Content.
 
Umsätze werden im Verhältnis 30 zu 70 (70% für den Content Partner) geteilt.
 

Neu in ASK? Dann gleich registrieren und Vorteile nutzen...