Doppelter Nutzen - Anaerobe Behandlung von Klärschlamm
Veraltete Faultürme weichen immer häufiger modernen Verfahren zur Vergärung von Klärschlamm - mit anschließender Nutzung des Biogases zur Erzeugung von Strom und Wärme. Das kommt dem Klima zugute und schont das Budget. Ein Beispiel aus dem schwäbischen Bächingen.
26.10.2006 Die Kläranlage Bächingen an der Brenz, ausgelegt für die Entsorgung von rund 10.000 Einwohnern, arbeitet nach dem Tauchkörper-Verfahren zur biologischen Reinigung von kommunalem Abwasser. Dabei fallen pro Jahr insgesamt etwa 8.400 m³ Primär- und Sekundärschlamm an. Der Trockensubstanzgehalt liegt bei rund vier Prozent. Da der bestehende Faulturm aufgrund seines hohen Alters undicht wurde und seine Leistung nicht mehr erbrachte, hatte die Gemeinde Sontheim beschlossen, ihn durch einen Neubau zu ersetzen. Der sollte den Schlamm nach aktuellem Stand der Technik anaerob, unter Ausschluss von Sauerstoff mit dem Ziel behandeln, das entstehende Biogas energetisch zu verwerten.
Auf der Suche nach einer leistungsfähigen und dabei kostengünstigen Lösung fiel schließlich die Wahl auf eine Schlamm-Vergärungsanlage in Leichtbauweise der Lipp GmbH (Tannhausen). Das Konzept der Anlage auf dem Gelände des Klärwerks Bächingen, das komplett 2004 realisiert wurde, besteht hauptsächlich aus den Komponenten:
KomBio-Reaktor - Faulbehälter (500 m³) mit integriertem Gasspeicher (200 m³),
Biologische Gasreinigung / Entschwefelung,
Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Gasmotor mit einer elektrischen Leistung von 30 kW und einer thermischen Leistung von 68 kW.
Der Faulbehälter mit integriertem Gasspeicher stellt das Kernstück des Anlagenkonzepts dar. Er wurde direkt vor Ort nach dem Lipp-Doppelfalzsystem gefertigt. Dies sorgt für kurze Montage-Zeiten, wodurch auch die Montage-Kosten niedrig gehalten werden können. Durch den Einsatz des in vielen Projekten erprobten, speziellen Edelstahl-Werkstoffes ,Verinox' können langlebige und wartungsarme Anlagen mit entsprechend günstigem Kosten/Nutzen-Verhältnis erstellt werden.
Die Homogenisierungseinheit wurde nach einem von der Lipp GmbH entwickelten mechanischen System mit Strömungsleitrohr ausgeführt. Das Rührwerk ermöglicht sowohl eine horizontale als auch eine vertikale, schonende Durchmischung des Faulbehälter-Inhalts. Die Bildung von Sink- und Schwimmschichten wird vermieden. Der Antrieb der horizontal eingebauten Welle mit Propeller erfolgt mittels Elektromotor außerhalb des Behälters. Dabei sind sowohl stufenlose als auch fest einstellbare Drehzahlen möglich. Durch das Strömungsleitrohr wird eine Sogwirkung erreicht, die eine vertikale Strömung erzeugt. Dieser Strömungsverlauf bewirkt eine effektive Durchmischung des Klärschlamms im Faulraum. So wird eine eventuelle Schaumbildung im Behälter unterbunden.
Der Wärmetauscher ist als energetisch günstige Wandheizung ausgeführt und bietet in Verbindung mit dem Stahlbehälter eine Vielzahl von Vorteilen. So bewirkt die große Übertragungsfläche mit ihrer guten Wärme-Leitfähigkeit eine gleichmäßige Temperaturverteilung im Faulraum. Dabei sind keine störenden Einbauten im Behälter erforderlich. Auch die Montage des Heizungssystems sowie anschließende Isolierung und Außenverkleidung sind einfach durchführbar.
Die Sicherheitssysteme für Gasüberdruck und Gasunterdruck, die Anordnung der Einrichtungen von Zulauf-, Ablauf- und Grundablass sowie das technische Zubehör dienen einer hohen Funktionssicherheit und Bedienungsfreundlichkeit.
Der integrierte Gasspeicher stellt eine Platz sparende und sichere Lösung dar. Da ein separater Gasbehälter nicht erforderlich ist, entfallen die Verbindungsleitungen zwischen Gaserzeugung und Gaslager.
Der täglich anfallende Frischschlamm wird zuerst in der Vorgrube gesammelt und vor der Beschickung in den Faulbehälter durch Rühren homogenisiert. Der Faulbehälter arbeitet nach dem Durchfluss-Verfahren im mesophilen (mittleren) Temperaturbereich von 37 °C. Mit der Heizungsanlage des Blockheizkraftwerks wird die erforderliche Prozess-Temperatur im Faulbehälter über die spezielle Wandheizung sichergestellt und durch einen Temperaturfühler automatisch gesteuert.
Das bei der Fermentation entstehende Biogas wird in dem integrierten, drucklosen Gasspeicher zwischengespeichert. Nach einer biologischen Entschweflung in einem separaten Anlagenteil und Entwässerung wird das Biogas über das Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von elektrischer Energie und thermischer Energie verwertet.
Der ausgefaulte Schlamm (nach dem KomBio-Reaktor) wird durch eine Bandpresse entwässert. Im Bedarfsfall kann der Feststoff als Biodünger ausgetragen werden. Die Anlage im Klärwerk Bächingen, ausgestattet mit einer automatischen Steuerung, läuft seit über zwei Jahre störungsfrei.
Zusatzinformation
Unter Luftabschluss
Wegen steigender Energiekosten hat das anaerobe biologische Verfahren in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Nutzung des Energie-Potenzials in der organischen Substanz des Roh-Klärschlamms durch die Vergärung ist in Kläranlagen inzwischen zu einem wichtigen betriebswirtschaftlichen Faktor geworden, und viele Blockheizkraftwerke erzeugen Strom und Wärme aus Klärgas. Dabei bietet das Verfahren einen doppelten Nutzen: Neben der klimaneutralen Gewinnung von erneuerbarer Energie und Biodünger werden die Klärschlämme umweltverträglich stabilisiert und Emissionen von Methan, Kohlendioxid, Lachgas oder Geruch weitgehend vermieden.
Unternehmen, Behörden + Verbände: Lipp GmbH
Autorenhinweis: Dr. Minhuan Shan Lipp GmbH
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