Editorial: Märchenstunde

„Es war einmal...“ so fangen gute Märchen normalerweise an. Gute sind solche, die irgendwann doch ein gutes Ende nehmen. „Es war einmal eine Verpackungsverordnung ...“ – bislang kein gutes Märchen. Denn das, was sich deren Väter ausgedacht haben, nimmt gegenwärtig keine gute Entwicklung.

Foto: privat(26.02.2014) Was wurde da nicht alles herumgedoktert und verschlimmbessert. Die gesamte Entsorgungsbranche steht jetzt vor einem Scherbenhaufen, den die Politik angerichtet hat. Das einzige, was noch an Märchen erinnert, ist die Tatsache, dass gelogen wird, was die Balken hergeben. Skrupellose Unternehmen nutzen jede Systemschwäche aus und bereichern sich auf Kosten anderer und letztlich der Bürger, indem sie den Dualen Systemen immer mehr Mengen entziehen und in angebliche Selbstentsorger-Systeme überführen, während im gelben Sack die Mengen unverändert bleiben. „Im Vergleich zum 1. Quartal 2013 sind rund 25 Prozent der LVP-Mengen abgemeldet und der Finanzierung des Systems entzogen worden. Gleichzeitig hat sich an den über die gelben Tonnen und Säcke entsorgten Mengen nichts geändert“, konstatierte der BDE. Gleichzeitig sei die Menge der Eigenrücknahmen um 166 Prozent gestiegen. Dies widerspräche der Realität und sei für die Entsorgungswirtschaft nicht tolerabel. Aus Sicht des VKU hat die jahrelange Fehlentwicklung nun ihren Tiefpunkt erreicht. Es ist offensichtlich, dass eine 22 Jahre alte Verordnung trotz mehrfacher Nachbesserung den Erfordernissen einer modernen Rohstoff- und Kreislaufwirtschaft nicht gerecht wird. Da hilft vermutlich auch keine 6. Novelle sondern nur endlich ein Wertstoffgesetz.
Doch wer gehofft hatte, dass die neue Regierungskoalition sich der Sache annehmen würde, sieht sich getäuscht. Im Koalitionsvertrag kommen weder „Verpackungsverordnung“ noch „Wertstoffgesetz“ vor. Man fragt sich ernsthaft, was sich die Koalitionspartner dabei gedacht haben. Offensichtlich waren sie viel zu sehr mit der Energiewende beschäftigt und wie man hier möglichst viel Schaden anrichten kann. In einem Punkt war die Politik, allen voran der neue Energie-und Wirtschaftsminister ganz erfolgreich. Der Vertrauensverlust in die (Energie-)Politik ist so groß wie nie. Was ist dort hinsichtlich des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) zu lesen? „Altanlagen genießen Bestandsschutz. Der Vertrauensschutz im Hinblick auf getätigte und in der Realisierung befindliche Investitionen ist entsprechend zu gewähren.“ Märchenstunde. Fakt ist, dass nach dem vom Kabinett abgesegneten Eckpunkte-Papier sowohl Betreiber von Bestands- als auch von neuen Anlagen zur Eigenstromerzeugung kräftig zur Kasse gebeten werden sollen. Besonders die Chemie schlägt Alarm. Die BASF in Ludwigshafen oder auch Infraserv in Hoechst produzieren selbst oder über Servicegesellschaften ihren benötigten Strom und zum Teil auch ihren Dampf selbst – mit umweltgerechten, hocheffektiven Gas- und Dampfanlagen. Und das dezentral, wie es sich gehört. Kraft-Wärme-Kopplung ist das Gebot der Stunde. Jahrelang wurde über hohe Einspeisevergütungen lamentiert. Doch jetzt, da viele Unternehmen Möglichkeiten entwickelt haben, ihre Energie aus Gas, Ersatzbrennstoffen, Biomasse, Öl, Abfall oder was auch immer selbst zu nutzen und dadurch nicht nur zur Versorgungssicherheit bei Solarstrom- und Windschwankungen sondern auch zur nationalen Import-Unabhängigkeit beizutragen, will man sie dafür bestrafen. Hohe zweistellige jährliche Millionenbelastungen errechneten BASF, Currenta und Infraserv für ihre Unternehmen, wenn sie denn Realität werden sollte, die EEG-Reform. Und baufertige KWK-Millionenprojekte wie das in Uerdingen, verschwinden in der Schublade. Zu Redaktionsschluss zeichnete sich jedenfalls kein Einlenken des Wirtschaftsministeriums ab. Im Gegenteil. Zur Sommerpause soll alles durchgezogen sein. Leider kein Märchen. Jedenfalls kein gutes.

 
Autor: Martin Boeckh
Foto: privat



Copyright: © Deutscher Fachverlag (DFV)
Quelle: Januar/Februar 2014 (Februar 2014)
Seiten: 1
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