Das Verfahren der Dossier- und Stoffbewertung – Analyse der Artikel 50–54 REACH-VO

Die Dossier- und Stoffbewertung gehört zu den derzeit besonders aktuellen Pflichtaufgaben der Behörden – ECHA und zuständige nationale Behörden. Die etwa 27.000 Registrierungsdossiers der ersten Registrierungsstufe für etwa 4.600 Stoffe >1.000 t/a oder für besonders gefährliche Stoffe geben hierzu reichlich Material. Die inhaltlichen Fragen der Dossierbewertung – also die compliance der Registrierung nach den Art. 40 und 41 REACHVO – sind bereits ausführlich dargestellt worden. Das Gleiche gilt für die Stoffbewertung. Die REACH-VO stellt aber in den Art. 50–54 auch Bestimmungen bereit, die verfahrensrechtliche Rechte und Pflichten der Behörden und der Registranten bzw. nachgeschalteten Anwender in der Dossier- und Stoffbewertung regeln. Nachfolgend geht es um eine Analyse dieser Art. 50–54.

Der REACH-Gesetzgeber hat in Titel VI für die Dossierbewertung (Kapitel 1) und für die Stoffbewertung (Kapitel 2) gemeinsame Verfahrensbestimmungen für die Anforderung zusätzlicher Informationen festgelegt (Kapitel 4), obwohl die Entscheidungsvorbereitung bis zur Ausarbeitung eines Entscheidungsentwurfs in beiden Fällen unterschiedlich verläuft; bei der Dossierbewertung liegt sie in der Hand der Agentur (Art. 40 und 41), bei der Stoffbewertung in der Hand der zuständigen Behörde des verantwortlichen Mitgliedstaates (Art. 46). Gemeinsam ist aber, dass die Entscheidung über die zu treffenden Anordnungen auf europäischer Ebene nach den Bestimmungen der Art. 50–53 durch die Agentur oder durch die Kommission erfolgt.
In den Verfahrensbestimmungen haben sich in der Praxis Problembereiche gezeigt, die in dem Aufsatz analysiert werden. Dabei geht es z. B. um die Praxis der ECHA, den Entscheidungsentwurf für eine Informationsanforderung im Compliance Check nach Art. 41 Abs. 3 nur an federführenden Registranten einer joint submission zu richten. So vernünftig es ist, dass die Basisdaten nicht nur gemeinsam über den Federführer einer joint submission registriert, sondern auch aktualisiert werden, so sehr fehlt es aber an einer durchgehenden gesetzlichen Strategie in dieser Hinsicht.
Einen anderen Problembereich betrifft die Aktualisierung der Registrierung im laufenden Entscheidungsverfahren nach Versendung des Entscheidungsentwurfs an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Eine solche Aktualisierung, die nach Art. 22 jederzeit möglich, in einigen Fällen sogar unverzüglich geboten ist, kann den Entscheidungsentwurf inhaltlich überflüssig machen, wenn z.B. eine neue Studie gefunden wird, die einen Verzicht auf die Durchführung des im Entwurf angeordneten Wirbeltierversuch ermöglicht. Hier ergeben sich verfahrensrechtliche Probleme, die pragmatische Lösungen erfordern.
Auch die gemeinsame Versuchsdurchführung nach Art. 53 wirft Probleme auf,wenn es an klaren Vertragsregelungen unter den Beteiligten (z.B. in einem Konsortialvertrag) mangelt. Hier verlangt der Gesetzgeber eine „Vereinbarung“ zu der Frage, wer den Versuch mit Wirkung für alle durchführt. Kommt sie nicht zustande, bestimmt die ECHA denjenigen, der den Versuch durchführt. Eine solche Entscheidung ist selbständig anfechtbar, allerdings fehlt dafür eine Bestimmung im Katalog der Entscheidungen in Art. 91, die durch Widerspruch anfechtbar sind. Die gesetzlich geforderte „Vereinbarung“ kann komplexe Fragen aufwerfen, die durch die schlichte gesetzliche Formel „Kostenteilung zu gleichen Teilen“ nicht gelöst sind und ausgehandelt werden müssen.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: StoffR 06/2012 (Dezember 2012)
Seiten: 14
Preis inkl. MwSt.: € 25,00
Autor: Dr. Horst von Holleben

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