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Kooperative Produktverantwortung nach der novellierten Verpackungs-verordnung
Aktuelle Hintergrundberichte über Recycling- und Entsorgungsthemen
Berlin, den 25. Juli 2008
Die „Zeitschrift für das Abfallrecht“ (AbfallR) veröffentlichte in ihrem aktuellen Heft 4/2008 einen Aufsatz des VerpackV-Kommentators Professor Dr. Kristian Fischer: Kooperative Produktverantwortung nach der novellierten Verpackungsverordnung
1. Produktverantwortung nach den §§ 22 ff. KrW-/AbfG von § 6 Abs. 1 VerpackV n.F.
1. Produktverantwortung nach den §§ 22 ff. KrW-/AbfG […] Produktverantwortung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass im Hinblick auf ein bestimmtes Erzeugnis diejenigen Personenkreise abfallrechtlich in die Pflicht zu nehmen sind, die das betreffende Erzeugnis hergestellt oder vertrieben haben. Dementsprechend trägt die Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG, „wer Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt“. Damit soll die gesamte Wertschöpfungskette – beginnend mit Entwicklung und Herstellung von Erzeugnissen bis hin zur Abgabe an den Verbraucher – in die Verantwortung genommen werden. Mithin geht der Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG in Bezug auf die Erfüllung der Produktverantwortung von einem breiten Adressatenkreis aus. […]
2. Die Umsetzung der Produktverantwortung in § 6 Abs. 1 VerpackV n.F.
[…] a) Systembeteiligungspflicht (§ 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV n.F.) § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV n.F. normiert für Hersteller und Vertreiber, die mit Ware befüllte Verkaufsverpackungen erstmals in den Verkehr bringen, eine Pflicht zur Beteiligung an zumindest einem dualen System. […] Bereits im Rahmen der §§ 22 ff. KrW-/AbfG wurde kontrovers diskutiert, ob für ein „Inverkehrbringen“ jede Abgabe an oder Bereitstellung für Dritte genügt oder aber eine Abgabe an den Endverbraucher erforderlich ist. Im Rahmen der VerpackV wird zumeist eine Abgabe an jeden im Wirtschaftsverkehr tätigen Dritten für ausreichend erachtet; was durch § 3 Abs. 8 VerpackV bestätigt wird, der es für die Definition des Vertreibers für irrelevant erklärt, auf welcher Handelsstufe die Verpackung in Verkehr gebracht wird. Mit dem OVG Münster wird man aber das Bereitstellen von Verpackungen ohne Gewahrsamswechsel nicht genügen lassen. Auf dieser Basis kommt man – im Einklang mit der vom Verordnungsgeber offensichtlich favorisierten Auslegung – zu dem Ergebnis, dass ein erstmaliges Inverkehrbringen im Regelfall durch den sog. „Abfüller“ erfolgt; also denjenigen, der die Befüllung einer Verkaufsverpackung mit einer Ware vornimmt und dann in der Lieferkette weiterreicht. Dass der Erstinverkehrbringer aber auch eine andere Person sein kann, zeigen Rummler/Seitel (AbfallR 2008, 129, 132) am Beispiel der sog. Handelsmarken (Eigenmarken) auf: Weil das Handelsunternehmen im Unterschied zum „normalen Wertschöpfungsprozess“ als Initiator auftritt, der die Befüllung der Verkaufsverpackung anstößt, muss man es konsequenterweise auch als Erstinverkehrbringer ansehen. Eine Abgabe an Dritte und damit ein verordnungsrelevanter Gewahrsamswechsel findet erstmals bei der Abgabe an den Verbraucher statt und nicht zwischen den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette, da Handel und Abfüller hinsichtlich der Befüllung zusammenwirken. Diese Sichtweise muss unabhängig davon gelten, in welchem Maße die Handelsmarkenkennzeichnung kenntlich gemacht wird. Denn letztlich kommt es nicht auf den Empfängerhorizont des Endverbrauchers, sondern darauf an, wer in tatsächlicher Hinsicht für die Abgabe an den Dritten verantwortlich ist. Dies ist im Fall der Handelsmarken – wie gesagt – das jeweilige Handelsunternehmen. Im Übrigen gilt auch im Falle der beauftragten Abfüllung durch Markenartikler, dass der Initiator, d.h. der Beauftragende, für die Beteiligung an einem dualen System verantwortlich ist. […] Anderseits ist zu beachten, dass das Erstinverkehrbringer-Modell des § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV n.F. lediglich ein praktikables System bieten soll, um die Produktverantwortung der Wirtschaft zu realisieren. Es soll hingegen nicht die übrigen Hersteller und Vertreiber von ihrer grundsätzlich bestehenden Produktverantwortung dispensieren. Auch wenn die Beteiligungspflicht nur eine Person trifft (und zwar denjenigen, der tatsächlich das erstmalige Inverkehrbringen vornimmt), hat dies nicht zur Konsequenz, dass alle übrigen Hersteller und Vertreiber, die am Prozess des Herstellens und Vertriebs der mit Ware befüllten Verkaufsverpackung beteiligt sind, keinerlei Produktverantwortung trifft. Denn der Grundsatz der Produktverantwortung wurde in § 22 KrW-/AbfG – wie bereits dargelegt – als gemeinsame Verantwortung angelegt, bei der alle Produktverantwortlichen „im selben Boot“ sitzen. Die Konsequenz hieraus ist, dass die Beteiligten die Produktverantwortung kooperativ umzusetzen haben, auch wenn der Verordnungsgeber durch die Beteiligungspflicht formal lediglich einen Produktverantwortlichen herausgreift. […] Als Beispiel sei die von Rummler/Seitel (AbfallR 2008, 129, 132) angesprochene Möglichkeit einer Drittbeauftragung nach § 11 VerpackV n.F. angeführt. Sie stellt einen Mechanismus zur Umsetzung der kooperativen Produktverantwortung dar. Da § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV n.F. formal allein den Erstinverkehrbringer in die Pflicht nimmt, können die übrigen Produktverantwortlichen oder auch duale Systeme durchaus als „Dritte“ i.S.v. § 11 Satz 1 VerpackV n.F. fungieren. Dementsprechend kann sich etwa ein Abfüller des Handels als Erfüllungsgehilfen bedienen, um die Systembeteiligungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV n.F. zu erfüllen. Denn die Systembeteiligungspflicht ist nicht höchstpersönlicher Natur und daher grundsätzlich einer Beauftragung nach § 11 Satz 1 VerpackV n.F. zugänglich. Mit der Beauftragung zur Vornahme der Lizenzierung übernimmt der Dritte freilich nur die Wahrnehmung der aus der VerpackV resultierenden Verpflichtung; im Fall des § 6 Abs. 1 S. 1 VerpackV etwa durch Übernahme des Vertragsmanagements, nicht aber durch Übernahme der Systembeteiligungspflicht selbst. Der Dritte rückt damit nicht in die öffentlich-rechtliche Pflichtenstellung aus der VerpackV ein, so dass die Verantwortlichkeit des Auftraggebers gegenüber den Vollzugsbehörden bis zur tatsächlichen Pflichterfüllung durch den Dritten bestehen bleibt. Dem entspricht, dass der neu eingeführte § 11 S. 3 VerpackV n.F. auf § 16 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG verweist, nach dem die Beauftragung eines Dritten mit der Erfüllung abfallrechtlicher Pflichten die Verantwortlichkeit des Auftraggebers unberührt lässt.
[…] c) Eigenrücknahme (§ 6 Abs. 1 S. 5-7 VerpackV n.F.)
Mit einer Regelung zur Eigenrücknahme wurde in § 6 Abs. 1 S. 5-7 VerpackV n.F. eine neue, in der bisherigen VerpackV nicht enthaltene Form der Rücknahme von Verkaufsverpackungen eingeführt: Obwohl die Verkaufsverpackungen bei einem dualen System lizenziert sind, erfolgt eine Entsorgung durch den Letztvertreiber, der die Verpackungen am Ort der Abgabe bzw. der tatsächlichen Übergabe zurücknimmt und auf eigene Kosten einer Verwertung nach den Anforderungen der VerpackV zuführt. Hierdurch werden die dualen Systeme entlastet, so dass § 6 Abs. 1 S. 5 VerpackV n.F. eine Erstattung der Lizenzentgelte vorsieht. § 6 Abs. 1 S. 6 VerpackV n.F. erweitert den Umfang der Erstattungsmöglichkeit auf vom Letztvertreiber zurückgenommene Verkaufsverpackungen, die von einem anderen Letztvertreiber in Verkehr gebracht wurden (aber nur dann, wenn es sich um Verpackungen derselben Art, Form und Größe und solcher Waren handelt, die der zurücknehmende Händler in seinem Sortiment führt). Es stellt sich nun die Frage, wie die novellierte VerpackV für die Eigenrücknahme die Rechte und Pflichten auf die einzelnen Produktverantwortlichen verteilt. So enthält § 6 Abs. 1 S. 5 VerpackV n.F. für den Erstattungsanspruch keine ausdrückliche Festlegung, wer Schuldner und wer Inhaber des Anspruchs sein soll. Hinsichtlich des Anspruchschuldners gilt zunächst, dass sich der Anspruch gegen ein duales System richtet. Ein Ausgleich zwischen den dualen Systemen erfolgt durch eine Berücksichtigung der über § 6 Abs. 1 S. 5-7 VerpackV n.F. abgewickelten Verpackungsmenge: Soweit eine Verwertung im Rahmen der Eigenrücknahme erfolgt, findet keine Verwertung durch ein duales System statt, so dass insofern auch kein Entgelt für eine Mitbenutzung der dualen Erfassungsstruktur begehrt werden kann. Auch die Frage nach dem Anspruchsteller wurde vom Verordnungsgeber nicht eindeutig beantwortet. […] Der Abfüller trägt über das Lizenzentgelt zunächst die Entsorgungskosten, die er dann auf den Handel abwälzt. Wollte man dem Abfüller nun die Erstattung nach § 6 Abs. 1 S. 5 VerpackV n.F. zubilligen, dann würde dies bei ihm eine ungerechtfertigte Bereicherung bewirken: Zusätzlich zu den fi3 nanziellen Vorteilen aus der Einpreisung des Lizenzentgeltes könnte er über eine Geltendmachung der Erstattung einen ihm nicht zustehenden Gewinn erzielen. Der Letztvertreiber hingegen hätte einen doppelten Obolus zu leisten: die Mehrkosten der Einpreisung wie auch die Kosten der Verwertung nach der Eigenrücknahme. Um eine gerechte Verteilung der Lasten zu erzielen und um Wertungswidersprüche bei der Umsetzung von § 6 VerpackV n.F. zu vermeiden, muss die Erstattung damit letztlich dem Letztvertreiber zu Gute kommen. […]
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