Mehrwertsteuer ökologisch und sozial gestalten

Null Prozent auf pflanzliche Grundnahrungsmittel und öffentlichen Verkehr

Das Umweltbundesamt (UBA) schlĂ€gt vor, die Mehrwertsteuer stĂ€rker an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten. Kern des „Entlastungspaket Klima und Umwelt“ ist es, pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Obst, GemĂŒse, Getreideerzeugnisse und pflanzliche Öle und den öffentlichen Personenverkehr ganz von der Mehrwertsteuer zu befreien. Dies entlastet die privaten Haushalte um rund sechs Milliarden Euro jĂ€hrlich. Außerdem sollen Solaranlagen von der Mehrwertsteuer befreit werden, Heizungsoptimierungen sowie Reparaturen mit dem ermĂ€ĂŸigten Steuersatz von 7 statt 19 Prozent begĂŒnstigt werden. UBA-PrĂ€sident Dirk Messner: „Was umweltfreundlich ist, sollte gĂŒnstiger werden, was umweltschĂ€dlich ist, darf der der Staat nicht lĂ€nger mit zu niedrigen Steuern subventionieren. Unser Entlastungspaket Klima und Umwelt hat die stark gestiegenen Lebensmittelpreise und MobilitĂ€tskosten im Blick. Es sorgt sofort fĂŒr eine Entlastung in den Haushaltskassen und schĂŒtzt gleichzeitig die Umwelt.“


Die Mehrwertsteuer ist in Deutschland durch einen Wildwuchs an Einzelregelungen gekennzeichnet. Ökologische Belange werden nicht berĂŒcksichtigt, soziale Belange nur zum Teil. Einige Regelungen fördern sogar umweltschĂ€dliche Konsumweisen. Zum Beispiel ist die ermĂ€ĂŸigte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte eine umweltschĂ€dliche Subvention, weil damit umweltschĂ€dliche Produkte begĂŒnstigt werden.
Durch eine Mehrwertsteuerbefreiung fĂŒr pflanzliche Grundnahrungsmittel wie Obst, GemĂŒse, Getreideerzeugnisse und pflanzliche Öle wĂŒrden die privaten Haushalte nach einer ersten SchĂ€tzung mit rund 4 Milliarden Euro jĂ€hrlich entlastet. Haushalte mit niedrigen Einkommen profitieren davon relativ am stĂ€rksten. Zudem wĂŒrde dies auch Menschen helfen, die von den beiden bisherigen Entlastungspaketen relativ wenig begĂŒnstigt wurden, etwa Rentnerinnen und Rentner mit niedrigen Einkommen. ⁠UBA⁠-PrĂ€sident Dirk Messner: „Die Mehrwertsteuerbefreiung fĂŒr pflanzliche Grundnahrungsmittel wirkt dem hohen Preisanstieg bei Lebensmitteln entgegen. Sie sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden, denn eine gesunde und gleichzeitig klimafreundliche ErnĂ€hrung sollte sich in Deutschland jede und jeder leisten können.“
Sinnvoll ist auch eine Mehrwertsteuerbefreiung fĂŒr den öffentlichen Verkehr. Gerade Ă€rmere Bevölkerungsgruppen sind hĂ€ufig auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Sie werden ĂŒberdurchschnittlich entlastet, wenn sich ÖPNV und Regional- und Fernverkehr per Bus und Bahn verbilligen. UBA-PrĂ€sident Dirk Messner: „Die Mehrwertsteuerbefreiung fĂŒr den öffentlichen Verkehr ist eine gute ErgĂ€nzung fĂŒr das von der Bundesregierung beschlossene 9-Euro-Ticket. Sie sorgt fĂŒr eine dauerhafte Entlastung und schafft damit einen Anreiz, öffentliche Verkehrsmittel verstĂ€rkt zu nutzen. Das schĂŒtzt auch das ⁠Klima⁠.“ Nach einer ersten SchĂ€tzung könnte die Entlastung hier in der GrĂ¶ĂŸenordnung von zwei Milliarden Euro pro Jahr liegen.
Das UBA schlĂ€gt außerdem steuerliche VergĂŒnstigungen fĂŒr Klimaschutzmaßnahmen vor. So ist es durch die neue EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie seit April 2022 nun zulĂ€ssig, die Lieferung und Installation von Solaranlagen ganz von der Mehrwertsteuer zu befreien. Außerdem können Heizungsmodernisierungen und sonstige energetische Sanierungen ermĂ€ĂŸigt besteuert werden. Das UBA schlĂ€gt vor, zunĂ€chst Heizungsoptimierungen durch einen ermĂ€ĂŸigten Steuersatz zu fördern. Auch der Mehrwertsteuersatz fĂŒr die Reparatur (nicht das Reparaturmaterial) von Schuhen, Lederwaren, Kleidung, FahrrĂ€dern und HaushaltswĂ€sche sollte von 19 auf 7 Prozent sinken. Dies ist bereits in neun EU-Mitgliedstaaten gĂ€ngige Praxis. Außerdem sollten bei Sachspenden von Unternehmen an gemeinnĂŒtzige Organisationen die Mehrwertsteuer entfallen, um die Vernichtung gebrauchsfĂ€higer Retouren einzudĂ€mmen.
Im Gegenzug fĂŒr diese zahlreichen VergĂŒnstigungen sollte zu einem spĂ€teren Zeitpunkt die Subventionierung umwelt- und klimaschĂ€dlicher Produkte schrittweise entfallen. Dies betrifft insbesondere die ermĂ€ĂŸigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent fĂŒr Fleisch und andere tierische Produkte, die kĂŒnftig mit den regulĂ€ren 19 Prozent besteuert wĂŒrden. Pflanzliche Produkte haben gegenĂŒber tierischen Produkten nur einen Bruchteil des Klima-Fußabdrucks: So werden fĂŒr ein Kilo Rindfleisch sieben bis 28 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen, fĂŒr ein Kilo GemĂŒse weniger als ein Kilogramm. Dirk Messner: „In Deutschland gehen zwei Drittel der Treibhausgasemissionen unserer ErnĂ€hrung auf den Konsum von Fleisch, Wurst und Milchprodukten zurĂŒck. Wenn wir weniger tierische Produkte verzehren, hilft das direkt dem Klima. Da die Preise fĂŒr tierische Produkte derzeit aber stark steigen, wĂ€re es aus sozialen GrĂŒnden geboten, diese Steueranpassung erst spĂ€ter nachzuziehen – und die Verbraucherinnen und Verbraucher zunĂ€chst durch gĂŒnstigeres Brot, Obst und GemĂŒse schnell zu entlasten.“ FĂŒr tierische Produkte mit Ökozertifizierung wĂ€re zu prĂŒfen, ob die Privilegierung beibehalten werden kann.
Das Reformpaket des UBA berĂŒcksichtigt die Novellierung der europĂ€ischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie aus dem April 2022. Sie gibt den EU-Mitgliedstaaten grĂ¶ĂŸere HandlungsspielrĂ€ume, die Mehrwertsteuer unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten zu gestalten. Die VorschlĂ€ge zur nationalen Reform der Mehrwertsteuer bauen auf einer Studie des Öko-Instituts auf, die im Auftrag des UBA durchgefĂŒhrt wurde, allerdings vor der Novellierung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie fertiggestellt wurde.

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Copyright: © Umweltbundesamt (09.06.2022)
 
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