BUND: Zwei Drittel des gesamten deutschen Emissionsbudgets bereits in 20 Jahren aufgebraucht

DIW-Studie: Kohleausstieg muss bis 2030 kommen


Die Kohlepolitik der Bundesregierung ist ein Irrweg. Mit ihrem Kohleausstiegsgesetz reißt die Große Koalition alle europĂ€ischen und globalen Emissionsminderungsziele – und ihre eigenen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Deutschen Institut fĂŒr Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bund fĂŒr Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verfasste Studie. Ohne Korrekturen und eine deutliche Beschleunigung fĂŒhrt dieser Ausstiegspfad in ein klimapolitisches Desaster.

Die Studie kurzgefasst: Ein Kohleausstieg bis 2030 und ein schneller Ausbau erneuerbarer Energien sind essentiell, um die europĂ€ischen und globalen Emissionsminderungsziele zu erreichen. Das deutsche Emissionsbudget, welches im Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen ist, ist andernfalls 2040 ausgereizt. Die Inbetriebnahme des Kraftwerks Datteln 4 erhöht die Mehremissionen trotz angeblicher Kompensationen drastisch. Das weitere Abbaggern von Dörfern fĂŒr Kohle ist zwar politisch gewollt, aber energiepolitisch absolut unnötig.

"Die Berechnungen belegen, dass bei gleichbleibendem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem vorgelegten Abschaltplan fĂŒr Braun- und Steinkohlekraftwerke die Klimaziele nicht erreicht werden können, wenn nicht gegengesteuert wird. Ein Großteil des Deutschland zur VerfĂŒgung stehenden Emissionsbudgets wĂ€re mit diesem Plan bereits frĂŒhzeitig durch die Energiewirtschaft aufgebraucht", sagt Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt beim DIW. "Vergleicht man den Gesetzentwurf mit den ursprĂŒnglichen Empfehlungen der Kohlekommission, werden hier bis 2040 circa 134 Millionen Tonnen mehr CO2 ausgestoßen."

Eine schnelle Abschaltung von Steinkohlekraftwerken verringert zwar kurzfristig die Emissionen. Durch das spĂ€te Abschalten von schmutzigeren Braunkohlekraftwerken sind sie dann allerdings nach 2030 deutlich höher als anvisiert. Allein durch die Inbetriebnahme des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen werden dem DIW zufolge zusĂ€tzlich 40 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen – und das trotz der Abschaltungen zusĂ€tzlicher KapazitĂ€ten.

"Um die europĂ€ischen und globalen Emissionsminderungsziele zu halten, braucht es einen Kohleausstieg bis 2030 und einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien", so Kemfert. Doch der Deckel fĂŒr Photovoltaik und die umstrittenen Mindestabstandsregeln fĂŒr Windenergie verhindern den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren. FĂŒr eine erfolgreiche Energiewende mĂŒssten erneuerbare Energien laut der Studie bis 2030 einen Anteil von 75 Prozent betragen. Dies entspricht einem Zubau von jĂ€hrlich 9,8 Gigawatt (GW) Photovoltaik und 5,9 GW Wind Onshore.

"Das Kohleausstiegsgesetz ist ein gezielter Plan, den Kohleausstieg dauerhaft zu verzögern, und mit inakzeptabel hohen EntschĂ€digungen verbunden. So wĂŒrde es zum Hemmschuh fĂŒr den kurzfristig notwendigen Klimaschutz und lĂ€utet eine neue Phase der klimapolitischen Konflikte in Deutschland ein, statt sie zu lösen", sagt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND.

"Das Gesetz spricht dem Ergebnis der Kohlekommission, das ohnehin nur ein Minimalkonsens war, Hohn. Es ist ebenso das Versagen der FĂŒhrungen der Kohle-BundeslĂ€nder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Anstatt den Lebensraum und die Gesundheit ihrer BĂŒrgerinnen und BĂŒrger, haben sie in den Verhandlungen allein die Interessen der Kohleindustrie vertreten und sich so auch vom Kompromiss verabschiedet", so Bandt. In der Kohlekommission hatte erstmals Politik, Wissenschaft, Industrie, UmweltverbĂ€nde und Gewerkschaften in einem echten Dialog diese entscheidende klimapolitische Frage diskutiert und VorschlĂ€ge gemacht.

"Der aktuelle Gesetzentwurf der Regierung macht diesen Konsens kaputt", so Bandt. "Das Gros der Braunkohlekraftwerke wird erst nach 2034 abgeschaltet. Und als wĂ€re das nicht schlimm genug, erhalten die Betreiber der Dreckschleudern dafĂŒr auch noch hohe EntschĂ€digungen aus der Steuerkasse. Und das alles fĂŒr ein Auslaufmodell wie die Braunkohle!" Bandt appelliert an den Bundestag und die betroffenen BundeslĂ€nder, diesen Entwurf zu stoppen und zum gesellschaftlichen Kompromiss der Kohlekommission zurĂŒckzukehren.

Aber diese Politik geht den Menschen nicht nur an den Geldbeutel, sondern bedroht zudem real Existenzen, wie die Studie an der von der Regierung geplanten Festschreibung der Auskohlung des Tagebaues Garzweiler zeigt. "Die weitere Auskohlung in Garzweiler ist absolut unnötig", sagt Dirk Jansen, GeschĂ€ftsleiter des BUND Nordrhein-Westfalen. "Es ist absurd, dass heutzutage noch Dörfer fĂŒr klimaschĂ€dliche Braunkohle geopfert werden sollen."
Die ganze klimapolitische AbsurditĂ€t dieser Politik wird am Steinkohlekraftwerk Datteln 4 deutlich. "Den Kohleausstieg ausgerechnet mit der Inbetriebnahme eines neuen Kohlemeilers zu beginnen, ist absurd und ein eklatanter Verstoß gegen die Empfehlungen der Kohlekommission. Datteln 4 hat nicht einmal eine rechtskrĂ€ftige Genehmigung", sagt Jansen.

Das Kraftwerk steht nur etwa 450 Meter von einer Siedlung und kaum weiter von einem Kinderkrankenhaus entfernt. Es stĂ¶ĂŸt gesundheitsschĂ€dliche FeinstĂ€ube und Schwermetalle wie Quecksilber aus. Über die Abluft aus dem KĂŒhlturm werden die europarechtlich geschĂŒtzten FFH-Gebiete der Cappenberger WĂ€lder belastet. "Das Kraftwerk schĂ€digt Mensch, Natur und Klima. Wir haben den Hambacher Wald gerettet, jetzt mĂŒssen wir Datteln 4 verhindern", so Jansen.
Aufgrund der Klage des BUND kippten Gerichte schon einmal die Genehmigungen zum Bau und Betrieb des Kraftwerks. Doch obwohl die Probleme die gleichen blieben, erteilte das Land NRW eine neue immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Gegen beide Verwaltungsentscheidungen sind Klagen des BUND anhÀngig. Genauso wie gegen den Bau des Kohlehafens.

Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung Klimaschutz endlich ernst nimmt und wirksame Maßnahmen nicht lĂ€nger blockiert. Nur so kann sie Antworten auf die Fragen der Zukunft liefern.


Die original Pressemitteilung finden Sie hier


© Bund fĂŒr Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) – Friends of the Earth Germany



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