Lärmkonflikte zwischen überplanter Wohnbebauung und unbeplanten industriell genutzten Flächen

Die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung hängt ab von der baugebietsspezifisch zu bestimmenden konkreten Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit des Immissionsortes. Dabei sind neben der bebauungsrechtlichen Gebietszuordnung weitere rechtliche und tatsächliche Verhältnisse wie Art, Ausmaß und Dauer, aber auch tatsächliche und planerische Vorbelastungen zu berücksichtigen. Die bindende Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze erfolgt entweder durch die planende Gemeinde oder durch Einzelfallentscheidungen der Immissionsschutzbehörden. Damit ist die Gemeinde zur Aufnahme des Bestands an rechtlich zulässigen Immissionen bei der Überplanung bereits bebauter Gebiete verpflichtet. In Gemengelagen kann dabei eine Feinsteuerung durch Festlegung von Emissionskontingenten erfolgen. Zutreffend ermittelte Vorbelastungen können im Plan gekennzeichnet werden, was dann zu einer mittelbaren Bindungswirkung führt, wenn die zutreffende Methodik angewendet wurde. Fehlt trotz fehlerfreier Ermittlung eine Feingliederung, bleibt die Immissionsschutzbehörde zur Beachtung des Rücksichtnahmegebots verpflichtet. Ist die Planung in der Gemengelage fehlerhaft, entfällt eine über die Gebietsart hinausgehende Bindungswirkung. In diesen Fällen bleibt es Aufgabe der Immissionsschutzbehörden, das Maß des Zumutbaren auf der Grundlage der Gebietsfestsetzung selbst zu ermitteln.

Die städtebauliche Lage zahlreicher Industrieanlagen beinhaltet häufig ein Nebeneinander von Wohnen und Industrie. Zurückzuführen ist diese Nähe von Wohnen und Arbeiten oft genug auf die historische Entwicklung einzelner Industriezweige. Entstehende und später auch in ihrer räumlichen Ausdehnung wachsende Industriegebiete haben die Einwohnerzahlen steigen und Wohngebiete in die Nähe der Arbeitsplätze rücken lassen. Dies geschah zu einer Zeit, in der städtebauliche Entwicklung noch nicht nach den heute geltenden Regeln des Raumordnungs- und Bauplanungsrechts erfolgte. So entstandene Industrie- und Wohngebiete sind in der Folge immer wieder Gegenstand nachfolgender Überplanung geworden. Die industriell genutzten Flächen sind dabei in aller Regel in Flächennutzungspläne übernommen worden, bei Wohngebieten ist es zum Teil auch zu einer qualifizierten Bauleitplanung gekommen. Bei der Aufstellung dieser Bebauungspläne wurde jedoch insbesondere bei Plänen, die in den 1980er-Jahren entstanden, das Nebeneinander von Wohnen und Industrie planerisch nicht umfassend bewältigt. Die tatsächliche Belastung der Wohngebiete vor allem mit in dem benachbarten Industriegebiet gewerblich verursachtem Lärm wurde bei den Festsetzungen im Bebauungsplan nicht hinreichend berücksichtigt.

Im Rahmen von Zulassungsverfahren auf der Grundlage des BImSchG für bestehende oder auch für neue Anlagen muss nun die Genehmigungsbehörde für Immissionsorte, die in einem überplanten Gebiet liegen, Lärmgrenzwertefestlegen. Bei der Festlegung dieser Grenzwerte stellt sich dann die Frage, inwiefern die Genehmigungsbehörde an die Gebietsausweisungen in den Bebauungsplänen gebunden ist und ob eine Zwischenwertbildung auf der Grundlage der Nr. 6.7 TA Lärm in Betracht kommt. Auf diese Fragen geht der Beitrag im Folgenden ein.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: Heft 05 - 2013 (Oktober 2013)
Seiten: 13
Preis inkl. MwSt.: € 25,00
Autor: Prof. Dr. Marc Röckinghausen

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