Stromausfall – und dann?

Sicherheitsforscher identifizierten Schwachstellen im Katastrophenmanagement

Die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts werden in stetig zunehmendem Maße abhĂ€ngig von ElektrizitĂ€t. Fast alle Lebensbereiche benötigen mittlerweile Strom, um die anstehenden Aufgaben zu bewĂ€ltigen und um zu funktionieren. Doch womit ist zu rechnen, wenn diese Stromversorgung plötzlich tagelang ausfĂ€llt?
Die UniversitĂ€t Witten/Herdecke hat nun im Rahmen des vom Bundesministerium fĂŒr Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Forschungsprojektes „PrioritĂ€tenbildung bei Rettungsmaßnahmen“ die Problematik eines lang anhaltenden Stromausfalls aufgegriffen und mit Experten aus Behörden, Hilfsorganisationen, Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen eines zweitĂ€gigen Workshops diskutiert.
Lebensmittelversorgung: „Keiner weiß nichts Genaues“
Im Workshop standen speziell die AnfĂ€lligkeit der Stromversorgung und die LĂŒcken der Gefahrenabwehr im Fokus. Es wurden jedoch auch mögliche Kaskadeneffekte und Einzelproblematiken, wie beispielsweise die Lebensmittelversorgung, behandelt. „Die AbhĂ€ngigkeit vom Lebensmittelhandel hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Allein die Handelskette Plus bediente im Jahr 2008 ca. 2,6 Mio. Menschen am Tag.“ erklĂ€rt Dr. Helmut Grimm, Sonderbeauftragter der Tengelmann Gruppe, die Problematik. „Das ist das Paradoxe des Fortschritts: Je entwickelter unsere Gesellschaft ist, desto komplexer sind ihre AbhĂ€ngigkeitsstrukturen von kritischen Infrastrukturen und damit auch von der Stromversorgung“, so Dr. Grimm. Hinzu kommt, dass die Privatwirtschaft ihre eigenen Ziele verfolgt, die eher in einer auf Effizienz ausgelegten „Just in Time“-Logistik liegen als in der Versorgungssicherheit. Eine weitere Schwierigkeit, die Grimm mit den Worten „Keiner weiß nichts Genaues“ umschreibt, liegt in der Tatsache, dass die meisten Akteure sich ungern in die Karten schauen lassen, wenn es um Ihre Sicherheitsvorsorge geht.
Katastrophenmanagement selbst abhÀngig vom Strom
Der Ausfall der Stromversorgung wĂŒrde verheerende Folgen fĂŒr die Bevölkerung haben, was zeigt, dass diese Infrastruktur einer der anfĂ€lligsten Bereiche der Gesellschaft ist und somit einen sicherheitsrelevanten Faktor darstellt. Ein Beispiel hierfĂŒr ist der Stromausfall im MĂŒnsterland am 25. November 2005. Da die betroffenen Institutionen des Bevölkerungsschutz ebenfalls auf ElektrizitĂ€t angewiesen sind, mĂŒssen sie im Falle eines Stromausfalles einer doppelten Herausforderung begegnen: „Der Gedanke des vernetzten Katastrophenschutzes wird dann zum Trugbild der Lösungsmöglichkeiten eines Stromausfalles“, sagt Dr. Thomas Petermann, ehemaliger stellvertretender Leiter des BĂŒros fĂŒr Technikfolgen-AbschĂ€tzung des Deutschen Bundestages. „Insbesondere die zunehmende Vernetzung von Instrumenten der Informations- und Kommunikationstechnologie verstĂ€rkt diese AbhĂ€ngigkeit“, so Petermann, in dessen Studie sich abzeichnet, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien die höchste „KritikalitĂ€t“, also das höchste Maß an Bedeutung fĂŒr andere Sektoren im Falle eines Ausfalles, aufweist.
Kooperation beginnt vor dem Ernstfall
Prof. Dr. Hans-JĂŒrgen Lange, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls fĂŒr Politikwissenschaft, Sicherheitsforschung und Sicherheitsmanagement an der UW/H, sieht ein entscheidendes Verbesserungspotential des Managements eines großflĂ€chigen Stromausfalles in dem frĂŒhzeitigen Ansatzpunkt der Kooperation der Akteure untereinander und nicht erst nach Eintritt des Ereignisses. „Die Kooperation der Akteure im Informationsaustausch muss stĂ€ndig stattfinden, alle Ebenen mĂŒssen im Austausch zueinander stehen“. ZukĂŒnftig muss man zudem verstĂ€rkt ein mögliches Verhalten der Bevölkerung in Notsituationen untersuchen, „denn die Bevölkerung ist keine homogene Gruppe. Das Verhalten wird sich nach unterschiedlichen Kriterien richten, die wir nĂ€her erforschen mĂŒssen“, so Lange. Das Sicherheitsforschungsprogramm der Bundesregierung leiste hier einen wichtigen Beitrag, Schwachstellen innerhalb der Gefahrenabwehr aufzuzeigen und Lösungsmodelle zu erarbeiten.
Zum Forschungsprojekt „PrioritĂ€tenbildung bei Rettungsmaßnahmen“:
Das Forschungsprojekt beschĂ€ftigt sich neben den Formaten des Ehrenamtes im Katastrophenschutz mit verschiedenen Szenarien wie beispielsweise Stromausfall, Pandemie oder TerroranschlĂ€gen und den Auswirkungen auf die Sicherheit sowie die KoordinationsfĂ€higkeit zwischen Bund und LĂ€ndern bei schweren Schadenslagen. Projektpartner sind das Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes, das Innenministerium Sachsen-Anhalt, die Behörde fĂŒr Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Branddirektion Frankfurt am Main. Wissenschaftlicher Projektpartner ist der Lehrstuhl fĂŒr Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte (Prof. Dr. Christoph Gusy) der UniversitĂ€t Bielefeld.
Weitere Informationen:
Dipl. Soz.-Wiss. Christian Endreß
UniversitÀt Witten/Herdecke
Lehrstuhl fĂŒr Politikwissenschaft, Sicherheitsforschung und Sicherheitsmanagement
Tel.: 02302 / 926 - 824
Mail: Christian.Endress@uni-wh.de
Über uns:
Die UniversitĂ€t Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer GrĂŒndung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als ModelluniversitĂ€t mit rund 1.300 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H fĂŒr eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsbildung.
Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.



Copyright: © Informationsdienst Wissenschaft e.V. -idw- (17.02.2012)
 
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