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Erste systematische Schätzung zeigt: Etwa 151.200 bis 255.500 Tonnen Kunststoff bleiben pro Jahr in der Umwelt
Eine Studie des Umweltbundesamts (UBA) hat erstmals systematisch
den Verbleib von Kunststoffen in der Umwelt für Deutschland untersucht.
Dies sind die Mengen, die nach ihrem Eintrag nicht durch Reinigungs-
oder andere Maßnahmen wieder entfernt werden. Demnach verbleiben
verkehrsbedingt etwa 133.000 bis 165.000 Tonnen Kunststoff pro Jahr in
der Umwelt, vor allem verursacht durch Reifenabrieb. Der Baubereich
verursacht einen jährlichen Verbleib von rund 9.000 bis 60.000 Tonnen,
Landwirtschaft und Gartenbau kommen zusammen auf einen Verbleib von etwa
6.000 bis 22.000 Tonnen. Rund 650 bis 2.500 Tonnen verbleiben durch
Littering, also achtloses Wegwerfen oder Liegenlassen von Abfällen, in
der Umwelt. Weitere Quellen sind Verbraucherprodukte wie Kleidung
(Fasern) oder Farben und Lacke mit circa 900 bis 2.500 Tonnen sowie der
Spiel-, Sport-, Freizeit- und Eventbereich (z.B. Granulate für
Kunstrasenplätze, Spielgeräte) mit rund 1.800 bis 3.100 Tonnen.
UBA-Präsident
Dirk Messner: „Etwa 90 Prozent der gelitterten Kunststoffabfälle können
durch Reinigungsmaßnahmen wieder entfernt werden. Das Ziel muss jedoch
sein, dass erst gar kein Müll in der Umwelt landet. Insgesamt steigt die
Menge der achtlos weggeworfenen Abfälle nämlich weiterhin an. Mit der
nationalen Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie zum 3. Juli 2021
werden jetzt sehr wirksame Impulse gegen das Littering von Kunststoffen
gesetzt, zum Beispiel das Verbot von Geschirr und Besteck aus
Einwegkunststoff oder die Kennzeichnungspflichten für bestimmte
Einwegkunststoffprodukte. Auch die geplante Verpflichtung, Essen oder
Getränke zum Mitnehmen ab 2023 auch in Mehrwegverpackungen anzubieten,
ist sinnvoll und wird zu weniger Plastik in der Umwelt führen. Wir
müssen uns jetzt viel stärker auch um die anderen Bereiche kümmern – den
Reifenabrieb, die Einträge aus dem Baubereich oder aus Landwirtschaft
und Gartenbau. So sollten zum Beispiel Grenzwerte für Reifenabrieb
eingeführt werden. Das Umweltbundesamt unterstützt daher die Entwicklung
von Messmethoden und deren Umsetzung auf EU-Ebene mit Untersuchungen im
Rahmen eines eigenen Forschungsprojektes.“
Insgesamt, über die oben genannten Bereiche hinweg, stammt ein Großteil des Kunststoffeintrags aus Produkten, die zur umweltoffenen Anwendung hergestellt und dort eingesetzt werden – z.B. landwirtschaftliche Folien, Baufolien, Palisaden, Spiel- und Sportgeräte, Rankhilfen, Verbissschutz, Farben, Textilien oder Autoreifen. Im Laufe ihrer Nutzung können durch Abnutzung, Abrieb oder Zersetzung kleinere Kunststoffpartikel entstehen und in die Umwelt gelangen, aus der sie dann nicht wieder entfernt werden können. Von umweltoffen eingesetzten Kunststoffprodukten verbleiben etwa 150.500 bis 253.000 Tonnen in der Umwelt.
Weitere Informationen zur Studie
Kunststoffe in
der Umwelt sind ein großes Problem, da sie sich nicht oder nur sehr
schlecht abbauen und sich dadurch in der Umwelt anreichern sowie
einzelne Lebewesen wie auch ganze Ökosysteme stark beeinträchtigen
können. Auch Produkte aus sogenannten biologisch abbaubaren Kunststoffen
sind keine Alternative, da sie sich nur unter sehr speziellen
Bedingungen abbauen, die in der Umwelt meist nicht gegeben sind. Für
zielgerichtete und effektive Maßnahmen gegen Kunststoffeinträge ist die
Kenntnis über Eintragsquellen, Eintragspfade und Eintragsmengen
entscheidend. Wesentlich ist auch die Frage, ob bzw. wieviel der einmal
eingetragenen Kunststoffe überhaupt wieder entfernt werden können. Das
nun entwickelte Modell erlaubt erstmals eine objektive Einschätzung der
Gesamtrelevanz der Thematik und zeigt Haupteintragsquellen auf.
Bisher lagen Daten zu Kunststoffeinträgen in die Umwelt lediglich vereinzelt vor, meist im Zusammenhang mit gelitterten Abfällen und in Form von Stückzahlen. Zentrales Ziel des Vorhabens war daher die Entwicklung einer Methodik, mit der in einem zweiten Schritt die Masse an Kunststoffen abgeschätzt wurde, die in Deutschland auf verschiedenen Wegen in die Umwelt gelangen und dort dauerhaft verbleiben – also beispielsweise auch nach Reinigungs- oder Rückbaumaßnahmen.
Die Studie
zeigt aber auch weiteren Forschungsbedarf auf: Zum Teil bestehen
erhebliche Datenlücken, so dass auf Basis zahlreicher Annahmen gerechnet
werden musste. Die Ergebnisse sind dementsprechend mit Unsicherheiten
behaftet, dies zeigt sich auch in den großen Spannbreiten der Werte. Die
Datenlage sollte daher zukünftig verbessert und das Modell
fortgeschrieben werden, um die Kenntnisse über Kunststoffeinträge in die
Umwelt zu verbessern und passgenaue Maßnahmen zu entwickeln.
Bei
der Interpretation der Ergebnisse ist folgendes zu beachten: Bei den
umweltoffen verwendeten Kunststoffprodukten ergibt sich der Verbleib in
der Umwelt aus Einträgen, die über die gesamte Nutzungsdauer von zum
Teil Jahren bis Jahrzehnten (z.B. durch Abrieb, Verwitterung,
Beschädigung) stattfinden sowie dadurch, dass die Produkte nach dem Ende
ihrer Nutzung nicht immer vollständig wieder aus der Umwelt entfernt
werden (z.B. durch Rückbau). Das heißt, zwischen dem Jahr des
Inverkehrbringens und dem Eintreten des Verbleibs in der Umwelt liegt
ein deutlicher zeitlicher Versatz. In dem hier verwendeten
Modellierungsansatz wird dieser zukünftige Verbleib in der Umwelt in das
Jahr der ursprünglichen Verwendung der Kunststoffprodukte vorgezogen.
Bei den gelitterten Kunststoffabfällen ergibt sich der Verbleib dagegen aus den Einträgen innerhalb eines Jahres. Hier kann davon ausgegangen werden, dass Eintrag und Beginn des Verbleibs unmittelbar aufeinanderfolgen, also im gleichen Betrachtungszeitraum stattfinden.
Die Originalpressemitteilung finden Sie hier.
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