Nach Abwägen der Möglichkeiten zur Abfallmischtonne stellt VIVO KU die Entscheidung zurück
Die gemeinsame Erfassung von Hausmüll und LVP im Landkreis Miesbach hätte viele Vorteile und käme für den Bürger nur minimal teurer. Aufgrund anderer Prioritäten wird die Angelgenheit derzeit nicht weiter verfolgt
Das VIVO Kommunalunternehmen - zuständiger öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für den Landkreis Miesbach - hat in den letzten Monaten von einer Planungsgemeinschaft IA GmbH/Witzenhausen-Institut Ansätze zur Weiterentwicklung der Abfallwirtschaft im Landkreis Miesbach überprüfen lassen. Dazu gehörte auch die Überlegung, das derzeitige Erfassungssystem für Leichtverpackungen - ein kombiniertes Bring- und Holsystem mit Abgabemöglichkeiten an öffentlichen Containerstandplätzen und Wertstoffhöfen sowie 1.100 Liter- Behältern an größeren Wohnanlagen und Gewerbebetrieben, die unter die DSD-Schnittstelle fallen - generell auf Holsystem umzustellen. Dabei soll dem Bürger aber kein viertes Holsystem in Form der Gelben Tonne oder des Gelben Sackes zugemutet, sondern die bereits bestehenden drei Holsysteme (graue Tonne für Restmüll, braune Tonne für Biomüll und blaue Tonne für Altpapier) zur Miterfassung der Leichtverpackungen genutzt werden. Ähnliche Konzepte werden seit Jahren unter Begriffen wie „Zebra-Tonne“, „Gelb in Grau“, „Grau in Gelb“, „gemischte Wertstofftonne“ u. ä. diskutiert. Die Ergebnisse des Gutachtens der Planungsgemeinschaft und die vom Auftraggeber daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen werden nachfolgend dargestellt. Mit Rücksicht auf die Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens wurde auf die Wiedergabe absoluter Zahlenwerte weitgehend verzichtet.
1. Überlegungen zur Systemgestaltung:
a) Bei Abschaffung der separaten Erfassung von Leichtverpackungen muss eine der drei beim Haushalt vorhandenen Tonnen für die Miterfassung von Leichtverpackungen genutzt werden. Die Biotonne schied von vornherein als Sammelgefäß aus, da organische Abfälle mit hohem Feuchtigkeitsgehalt und Leichtverpackungen für den weiteren Verwertungsweg beider Fraktionen miteinander nicht kompatibel sind. Auch die Nutzung der Papiertonne zur Miterfassung der Leichtverpackungen wurde nach kurzer Diskussion aus folgenden Gründen verworfen:
- Statt einer sortenreinen, ohne weitere Aufbereitung werthaltigen Papierfraktion wäre ein in jedem Fall zu sortierendes Abfallgemisch mit negativem Marktwert entstanden.
- Die aussortierte PPK-Fraktion hätte voraussichtlich weder von der Menge noch von der Qualität her mit dem Ergebnis der bisherigen Papiersammlung Schritt halten können.
- Nach Einschätzung der Gutachter und des Auftraggebers hätte das Problem auch durch den zusätzlichen Einsatz von Säcken in unterschiedlichen Farben („Sack im Behälter“) nicht befriedigend gelöst werden können.
- Mit der Zusammenführung zweier bereits heute getrennt gesammelter Fraktionen hätte kein zusätzliches Wertstoffpotential erschlossen werden können.
Somit blieb als einzig ernsthaft zu untersuchende Lösung die Zusammenführung des Hausmülls in der grauen Tonne mit den Leichtverpackungen. Um nicht in einem ersten Schritt sämtliche Behälter austauschen zu müssen, würde die Abfallsammlung in der Einführungsphase von 14-tägiger auf wöchentliche Abfuhr umgestellt. Wenn bei allen Anfallstellen der tatsächliche Volumenbedarf bekannt ist, würden dann die kleinen Restmülltonnen in größere (im Regelfall doppelt so große) Behälter umgetauscht und wieder auf 14-tägige Abfuhr umgestellt. Die öffentlichen Container für Leichtverpackungen und die bei Wohnanlagen und Gewerbebetrieben aufgestellten 1.100 Liter-Container für Leichtverpackungen würden abgeschafft. Erhalten bliebe - analog zu der bewährten Regelung bei Altpapier - die separate Abgabemöglichkeit für gemischte Leichtverpackungen an den 19 Wertstoffhöfen im Landkreis; damit wäre dem aus der Verpackungsverordnung möglicherweise abzuleitenden Erfordernis eines Getrenntsammlungsangebots für Leichtverpackungen formal Rechnung getragen.
b) Der eingesammelte Mischabfall würde in der bestehenden Sortieranlage des VIVO Kommunalunternehmens verarbeitet. Dabei wären im wesentlich folgende technische Anpassungen erforderlich:
- Ergänzen der Sortiertechnik um eine Vorschaltanlage, die durch verschiedene Siebstufen gewährleistet, dass ein großer Teil des Schmutzes und hygienisch bedenkliche Abfälle (z. B. Windelsäcke) vom eigentlichen Sortierprozess fern gehalten werden; dem Sortierprozess wird im Idealfall nur ein Materialgemisch zugeführt, das der Zusammensetzung der „Gelben Tonne Plus“ entspricht.
- Der eigentliche Sortierteil wird entsprechend einer bereits vorliegenden Planung technisch etwas aufgerüstet, vor allem mit einer automatischen Abscheidemöglichkeit für definierte Ersatzbrennstofffraktionen ausgestattet.
- Wegen des höheren Schmutzanteils sind darüber hinaus eine Reihe von Detailverbesserungen in der Anlage (Abstreifer etc.) erforderlich.
c) Die Sortierung würde weiterhin nach den bekannten DSD-Kriterien erfolgen. Damit könnten die bisherigen Verwertungsschienen ohne wesentliche Veränderungen beibehalten werden. Hinzu kämen mengenmäßig bedeutende Anteile an Ersatzbrennstoffen in unterschiedlichen Qualitätsstufen mit entsprechend unterschiedlichen Vermarktungskonditionen. Alle nicht verwertbaren Reste - gut 60 % des Gesamtinputs - würden weiterhin über den bestehenden Vertrag in einer benachbarten MVA als Beseitigungsabfall entsorgt.
2. Veränderungen der Kosten- und Erlössituation:
a) In der Logistik sind Einsparungen von nur 10 % gegenüber der bisherigen Getrenntsammlung von Hausmüll und Leichtverpackungen zu erwarten. Auch dieses Einsparpotential lässt sich nur mittelfristig realisieren, weil in der Einführungsphase (zunächst Umstellung auf wöchentliche Abfuhr, anschließend Austausch des Behälterbestandes) keine logistischen Verbesserungen zu erwarten sind.
b) In der Sortierung entstehen erhebliche Mehrkosten. Die zu verarbeitende Menge aus dem Landkreis steigt um ca. 350 %, die Kosten - wegen geringerer spezifischer Kosten je Tonne verarbeiteten Abfalls - um ca. 250 %. In dem Umfang, in dem bisher direkt in die MVA entsorgter Hausmüll mitsortiert wird, werden Kapazitäten der Sortieranlage belegt, die für die Verarbeitung von LVP aus anderen Gebietskörperschaften und damit für die Erzielung von Einnahmen aus Sortierverträgen mit Betreibern dualer Systeme nicht mehr zur Verfügung stehen. Zusätzlich bestehen nicht unerhebliche technische Risiken, die aus dem deutlich schwierigeren Inputmaterial resultieren. Sie wurden in pauschaler Form abgeschätzt; aussagekräftige Sortierversuche haben auf der Anlage nicht stattgefunden.
c) Der verwertbare Anlagenoutput steigt durch die gemeinsame Verarbeitung von Hausmüll und Leichtverpackungen um ca. 150 %. Dennoch verschlechtert sich die Erlössituation, weil der Mengenzuwachs in erster Linie aus der Zunahme von Mischkunststoffen und Ersatzbrennstoffen resultiert, für die nach derzeitiger Marktsituation erhebliche Zuzahlungen zu leisten sind. Auch die Vermarktungssituation der sortenrein aussortierten Materialien dürfte sich aufgrund der unvermeidbar höheren Verschmutzung verschlechtern. Insgesamt wird die Verschlechterung der Vermarktungssituation die Einsparungen auf der Logistikseite zumindest kompensieren.
d) Erhebliche Einsparungen sind dagegen bei der Resteentsorgung zu erzielen, da der in die MVA zu liefernde Beseitigungsabfall um ca. 25 % zurückgeht. Jedoch kann die dadurch erzielte Einsparung den Mehraufwand bei der Sortierung nicht in vollem Umfang kompensieren.
e) Im Ergebnis würde die gemeinsame Erfassung und Sortierung von Hausmüll und Leichtverpackungen die Entsorgung für jeden Bürger um ca. 2 Euro pro Jahr verteuern. Dieses Ergebnis wurde verschiedenen Szenarienbetrachtungen unterzogen, die sich in erster Linie auf die Menge des verwertbaren Outputs und die Konditionen für die einzelnen Wertstofffraktionen bezogen. Die Szenarienbetrachtung hat das Gesamtergebnis jedoch nicht wesentlich verändert. Selbst wenn unterstellt würde, dass zukünftig Mischkunststoff und Ersatzbrennstoffe ohne Zuzahlungen an den Markt abgegeben werden können, würde sich die wirtschaftliche Situation nicht wesentlich anders darstellen. Insbesondere wäre dann davon auszugehen, dass auch die Müllverbrennungsanlagen ihre Beseitigungspreise deutlich reduzieren müssten, um nicht zu große Mengen zu verlieren. Eine derartige - angesichts des sehr hohen Fixkostenanteils in der hohen Müllverbrennung durchaus realistische - Strategie haben die Anlagen bereits vor Inkrafttreten der TA Siedlungsabfall am 01.06.2005 gefahren. In den anderen betrachteten Szenarien verschlechtert sich das Ergebnis aus der diskutierten Systemumstellung noch. Insgesamt ist mit einer Spannweite der Mehrkosten von 1 - 5 Euro/Einwohner/Jahr zu rechnen.
3. Schlussfolgerungen:
a) Die gemeinsame Erfassung und Verarbeitung von Hausmüll und Leichtverpackungen erscheint technisch mit einem vertretbaren Zusatzaufwand möglich. Aufgrund der höheren Durchsatzmengen aus den einzelnen Vertragsgebieten bietet die Systemumstellung die Chance, kleinere Sortieranlagen mit Mengen aus dem engeren Umfeld auszulasten, und so den Trend zu zentralen Sortieranlagen für Leichtverpackungen mit enormen Transportwegen von den Anfallgebieten zu den Anlagen zu stoppen. Dies könnte eine Zukunftsperspektive für kleinere, von mittelständischen Entsorgern oder kommunalen Betrieben getragene Sortieranlagen sein.
b) Die Mehrkosten von 1 bis 5 Euro/Einwohner/Jahr sind über Zahlungen der Dualen Systeme nicht zu erwirtschaften, da die derzeit geltende Verpackungsverordnung keinerlei Anreiz für eine möglichst hohe Wertstoffabschöpfung bietet. Eine Änderung der Rechtsgrundlagen, die die Produktverantwortung der Hersteller auf die Entsorgung aller in Verkehr gebrachten Verpackungen und auf weitere Stoffströme ausdehnt, würde hier Abhilfe schaffen.
c) Bei einer Umsetzung des Konzepts unter den derzeitigen rechtlichen Randbedingungen müssten die Mehrkosten von den Gebührenzahlern aufgebracht werden; bei einer Gebührenbelastung von 100 Euro/Einwohner/Jahr entspräche dies einer durchschnittlichen Gebührenerhöhung um 1 bis 5 %. Individuell kann das Gebührenergebnis allerdings sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem wie stark sich im Einzelfall das benötigte und über Gebühren zu finanzierende Behältervolumen erhöht und wie das Gebührensystem ausgestaltet ist.
d) Bei einer solchen Lösung stellt sich in erster Linie die Frage der Akzeptanz beim Bürger. In absoluten Beträgen ist die Gebührenerhöhung geringfügig; gleichzeitig würden sich Trennaufwand und Platzbedarf beim Bürger beträchtlich verringern. Kapitalisiert man Trennaufwand und Platzbedarf angemessen, ergeben sich Einsparungen, die sehr viel höher sind als die durch die Systemumstellung ausgelöste Gebührenerhöhung. Beim Privathaushalt stellt dies allerdings nur eine theoretische Rechengröße dar, während sie sich im Gewerbe zumindest in Form von Personalkosten niederschlägt. Vor einer Systemumstellung müsste deshalb eine breite öffentliche Diskussion geführt und auf dieser Grundlage eine Entscheidung getroffen werden.
e) Die Ergebnisse des Gutachtens sind auf andere Anlagen und Entsorgungsgebiete nicht ohne weiteres übertragbar. In Kommunen, die am wirtschaftlichen Ergebnis ihrer Müllverbrennungsanlage beteiligt sind, könnte die Bilanz noch schlechter ausfallen, weil der Mengenrückgang bei den Beseitigungsabfällen nicht automatisch zu einem entsprechendem Rückgang der Kosten führt. Umgekehrt könnten MBA und Stabilatanlagen, die ohnehin den Restmüll sortiertechnisch aufbereiten, von einer Hinzunahme der Leichtverpackungen wirtschaftlich profitieren.
f) In Würdigung der Gutachtensergebnisse und der Schlussfolgerungen hat der Verwaltungsrat des VIVO Kommunalunternehmens in seiner letzten Sitzung beschlossen, die Angelegenheit derzeit nicht weiter zu verfolgen und zunächst die Ausschreibungsrunde der Dualen Systeme im Jahr 2009 abzuwarten.
Warngau, den 13.11.08 Walter Hartwig Vorstand
Quelle interner Bericht für den Planer
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