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Mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit sollen zu niedrigeren Kosten für den Bürger führen
Berlin (11.11.2005). Ein Ende der "technologiegetriebenen Abfallpolitik" auf Kosten der Verbraucher hat der Verein "Verbraucherzentrale Bundesverband" (vzbv) gefordert. "Jedes Jahr wird eine neue Erfassungs-, Sortier- oder Behandlungstechnik ausprobiert, oft lange bevor die bereits getätigten Investitionen abgeschrieben sind. Die Zeche zahlt der Verbraucher," sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller anläßlich einer Tagung des Verbandes zur Abfallpolitik am 7. November in Berlin. Etwa 7,5 Milliarden Euro seien seit 1993 alleine in den Neu- und Ausbau von Abfallbehandlungsanlagen geflossen, so Müller. Nach Auffassung des vzbv e.V. ist ein umfassendes Benchmarksystem für die Abfallgebühren erforderlich. Auch müßten die Folgenkosten bei geplanten Änderungen der Entsorgungswege abgeschätzt werden. Darüber hinaus, so Müller, müßten die Müllgebühren über ein Verbandsklagerecht gerichtlich überprüft werden können.
Von Bundesland zu Bundesland schwanken die durchschnittlichen jährlichen Müllgebühren zwischen 280 und 134 Euro je 4-Personen-Haushalt, in einzelnen Bundesländern unterscheiden sich die Gebühren um über 500 Prozent: Zum Beispiel liegt die Spannbreite der Gebühren für die 14-tägige Leerung einer 240-Liter-Tonne in Nordrhein-Westfalen zwischen 150 und 900 Euro. Bei den teilweise erheblichen Differenzen zwischen den Müllgebühren der einzelnen Kommunen spielen weder unterschiedliche Leistungen oder andersartige Siedlungsstrukturen noch der Umfang der Privatisierung eine entscheidende Rolle, wie Müller weiter ausführte. Sie verwies auf eine aktuelle Studie Die Kosten der Abfallpolitik für Verbraucher“, die von der Verbraucherzentrale Bundesverband in Auftrag gegeben worden ist. Vielmehr zeige die erhebliche Spannweite der Gebühren enorme Einspar- und Optimierungspotentiale, etwa durch überkommunale Kooperationen, verbesserte Tourenplanungen oder regelmäßige Ausschreibungen von Entsorgungsleistungen. Abgestellt werden müsse die bisherige Praxis, hohe Fixkosten mangelhaft ausgelasteter Beseitigungsanlagen etwa infolge der sogenannten Scheinverwertung gewerblicher Abfälle auf die Haushaltskunden abzuwälzen.
Gegen derartige Praktiken könnten nur eine größere Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Gebührenkalkulation Abhilfe schaffen, so Edda Müller weiter. Die Parallelen zur Gas- und Stromwirtschaft seien unübersehbar. "Wir fordern die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf, sich auf einheitliche, vergleichbare und für den Verbraucher nachvollziehbare Grundsätze der Gebührenberechnung zu verständigen", sagte Müller. Zu diesem Zweck seien regelmäßige Berichtspflichten über die Entwicklung der Abfallgebühren sowie die Offenlegung der wichtigsten Kostentreiber erforderlich. Darüber hinaus ist ein einheitliches Benchmarksystem in den Bundesländern einzuführen, um Kostensenkungspotentiale aufzuzeigen. Zur Durchsetzung einer solchen Transparenzinitiative ist ein Verbandsklagerecht der Verbraucherverbände erforderlich, mit dem wir Ansprüche einzelner Verbraucher bündeln können."
Eine klare Absage erteilte Prof. Müller allen Versuchen, das bewährte System der getrennten Müllsammlung aufzuweichen. Die Versuche, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden, hätten keine eindeutigen Ergebnisse gebracht. Die Biotonne sollte allerdings wegen ihrer hohen Kosten auf den Prüfstand. In der Erweiterung der "Gelben Tonne" um die Erfassung sogenannter materialgleicher Wertstoffe wie Haushaltswaren aus Kunststoffen oder auch von Elektrokleingeräten wie Wecker und Handys sieht der Verein VZBV einen interessanten Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte. Grundsätzlich müsse künftig vor Investitionen in neue Abfalltechnologien wie zum Beispiel neue Sortieranlagen ein umfassender Vergleich der ökologischen und ökonomischen Auswirkungen auf die Verbraucher vorgenommen werden.
Der VZBV appellierte an die Verbraucher, mit der Auswahl der Gefäßgröße und der Gestaltung des Abfuhrrhythmus Einfluß auf die Höhe der Gebühren zu nehmen. In diesem Zusammenhang erforderlich sei ein Ausbau der Abfallberatung der Verbraucherzentralen.
Literatur:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (Hrsg.): Die Kosten der Abfallpolitik für Verbraucher. Studie vorgelegt von PSPC Private Sector Participation Consult GmbH, TU Berlin/FG Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik und Prof. Versteyl Rechtsanwälte. Berlin 2005. Eine Kurzfassung der Studie kann hier heruntergeladen werden (PDF-Datei).
Kontakt: Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Markgrafenstraße 66, D-10969 Berlin, Tel. 030.25 800 - 0, eMail: info@vzbv.de, Internet: www.vzbv.de.
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