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"Die deutsche Schrottwirtschaft musste sich im Jahr 2022 in einem schwierigen Markt und vor allem mit deutlichen Preisabschlägen behaupten. Es sieht ganz danach aus, dass unsere Unternehmen auch im laufenden Jahr flexibel und schnell auf das sehr volatile Marktgeschehen reagieren müssen", erklärte Sebastian Will, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied beim bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung.
Der vom bvse geschätzte Schrottverbrauch der Stahlwerke ist gegenüber
2021 um 10 Prozent auf etwa 16,88 Millionen Tonnen gesunken, was
einerseits auf die stark rückläufige Produktion der Elektrostahlwerke
zurĂĽckzufĂĽhren ist, andererseits mit einem geringeren Schrotteinsatz in
den integrierten HĂĽttenwerken in Verbindung zu bringen ist. Der
Schrottzukauf der Stahlwerke vom Handel ist entsprechend auf 13,2 Mio.
Tonnen abgesackt. "Der RĂĽckgang erscheint, vor allem angesichts des
Kampfes der Stahlindustrie um den Verbleib der Schrotte in Europa, etwas
verwunderlich, da offensichtlich das Kostenargument stärker als das
Umweltargument gewichtet wird", merkte Will kritisch an.
Die
Eisen-, Stahl- und TempergieĂźereien hatten einen relativ geringen
Verlust bei ihrer Produktion zu verkraften und verstärkten sogar ihren
Schrottzukauf vom Handel gegenĂĽber dem Vorjahr deutlich um 9,5 Prozent
bzw. 250.000 Tonnen und verzichteten im entsprechenden Umfang auf den
Einsatz von Roheisen. Dessen Beschaffung war durch den Wegfall
russischer und ukrainischer Lieferanten und der dadurch notwendigen
Neuorientierung fĂĽr die Beschaffung schwierig.
Nach dem Eindruck
des bvse-Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling wird der
Ausstieg aus der fossilen Energienutzung durch den Krieg in der Ukraine
vor allem in Deutschland nun noch schneller vollzogen. Sebastian Will:
"Dabei bleiben die Energiebeschaffung und die Energiepreise die
SchlĂĽsselfaktoren fĂĽr das Wirtschaftswachstum. Das muss allen
Verantwortlichen klar sein!"
Das deutsche Schrottjahr begann auf
Basis eines stabilen Preisniveaus. UnterstĂĽtzt wurde es durch ein
festes Schrottangebot, weil der Zulauf zu den Lägern überschaubar war
und die tĂĽrkischen Nachfrage virulent blieb. "Im Nachhinein betrachtet,
war das erste Quartal 2022 das stärkste des Gesamtjahres," so das Resume
von Sebastian Will.
Im April des vergangenen Jahres erreichten
die Schrotteinkaufspreise der deutschen Stahlwerke Spitzenwerte, da der
Schrottbedarf im In- und Ausland hoch war, aber das Schrottaufkommen
insbesondere bei den Neuschrotten nach wie vor nicht Schritt halten
konnte.
Ab Juni begann die Stahlproduktion infolge nachlassender
Nachfrage sowohl in Europa als auch bei dem wichtigsten europäischen
Schrottabnehmer TĂĽrkei zu sinken.
Der bvse Fachverband Schrott,
E-Schrott und Kfz-Recycling betonte die Bedeutung des Türkei-Geschäfts:
"Im Laufe des Jahres 2022 bestimmte immer wieder die tĂĽrkische
Einkaufstaktik das Geschehen im europäischen Schrottmarkt. Sobald sich
der weltgrößte Schrottimporteur aus dem Tiefseegeschäft zurückzog, war
es schwierig, im europäischen Markt einen Gleichgewichtspreis zu
finden."
"Die Preisblase, die sich am Schrottmarkt im ersten und
zweiten Quartal 2022 gebildet hatte, platzte und in Deutschland stĂĽrzten
die Preise von April bis August je nach Sorte um €215 – 235 pro Tonne
ab", berichtete das bvse-Präsidiumsmitglied.
Das
Altschrottaufkommen blieb im zweiten Halbjahr 2022 hinter den
Erwartungen des Handels zurück, während sich das Neuschrottaufkommen
verbesserte, zumal die Automobilindustrie Erholungstendenzen zeigte. Ab
Juni drosselten vor allem die Elektrostahlwerke ihre Produktion im
Vergleich zum Vorjahr zweistellig.
Der durchgehende Mangel mal
an Alt- und mal an Neuschrotten erschwerte Lieferanten und Empfängern
die Geschäfte. Zudem lasteten die gestiegenen Energie-, Personal-,
Fracht- und Verwaltungskosten und die hohen krankheitsbedingten
Personalausfälle durch Corona in einem außergewöhnlichen Umfang auf
allen Unternehmen.
Sebastian Will wies zudem auf die
umfangreichen und nachhaltigen Veränderungen hin, die mit dem Green Deal
und seiner Strumflut an Gesetzen und Verordnungen auf die
Schrottwirtschaft einströmen und weiter einströmen werden. Klar ist,
dass die Klimaneutralität der Stahlindustrie bis 2045 nur über einen
verstärkten Schrotteinsatz gelingen wird. Der Sekundärrohstoff Schrott
wird eine entscheidende Rolle in einem veränderten Marktumfeld spielen.
"Wir
als Schrottwirtschaft waren mit den Ergebnissen des vergangenen Jahres,
trotz der vielen nicht vorhersehbaren Bewegungen im Markt, weitgehend
zufrieden. Allerdings war das Geschäft kein Selbstläufer. Aufmerksame
Marktbeobachtung, gute Vernetzung und schnelle Reaktionen waren mehr
denn je gefragt. Wir spĂĽren deutlich, eine schnelle Verschiebung in
unserem MarktgefĂĽge. Unsere Abnehmer setzen auf vertikale
Konzentrationen und Kooperationen mit ihren Kunden, während gleichzeitig
innerhalb unserer Branche die horizontalen Konzentrationsbewegungen
weiter voranschreiten," so das abschlieĂźende Fazit von Sebastian Will.
Copyright: | © bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (03.06.2023) | |