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Unternehmen müssen mit neuen Haftungsregeln für Umweltschäden rechnen
Am 21. April 2004 ist die EG-Richtlinie 2004/35/EG Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden“ in Kraft getreten und soll bis zum 30. April 2007 in nationales Recht umgesetzt werden. Damit erläßt die EU erstmals eine umfassende Haftungsregelung für Umweltschäden. Insbesondere führt sie die Haftung für Schäden an der biologischen Vielfalt ein, die bislang kein Mitgliedstaat vorgesehen hat. Das ist ein bedeutender Schritt nach vorn. Hierzu sind zwar noch fast zwei Jahre Zeit, die Richtlinie wirft aber in der jetzigen Fassung jede Menge Fragen auf.
Am 4. März 2005 hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Umsetzung der Richtlinie zur Umwelthaftung vorgelegt. Der Entwurf sieht nur geringfügige Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz und im Bundesnaturschutzgesetz vor.
Anlaß für diese Richtlinie sind die zahlreichen europaweit vorkommenden kontaminierten Standorte, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen, und der Verlust an biologischer Vielfalt, der in den vergangenen Jahren zugenommen hat.
Ein Beispiel von etlichen Vorfällen, aus denen massive Umweltverschmutzungen oder andere Umweltschäden resultieren, ist die Katastrophe in der rumänischen Stadt Baia Mare, die sich am 30. Januar 2000 ereignete. Durch ein Unwetter und technische Fehler brach der Damm der Kläranlage der rumänisch-australischen Goldfabrik Aurul“ und 100.000 Kubikmeter zyanidhaltige Giftschlämme gelangten in die Theiß, von dort in die Donau und lösten Fischsterben und Trinkwasserprobleme aus.
So wurden beim Unglück in Baia Mare 700 Kilometer Flußlauf verseucht und auf 300 Kilometer alles Leben getötet. Diese großen Unfälle sind sicher eher eine Ausnahme, werden aber öffentlichkeitswirksam dargestellt. Seitdem die Anforderungen aus dem Umweltrecht immer höher werden, haben auch die großen Vorfälle abgenommen. Das Baden in Flüssen ist – zumindest in Deutschland - wieder möglich, der Himmel über dem Ruhrgebiet ist wieder blau und die Unternehmen lassen sich zunehmend einer Zertifizierung nach Öko-Audit oder DIN ISO 14001 unterziehen, um noch besser im Bereich Umweltmanagement aufgestellt zu sein. Trotzdem gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Umweltdelikten, die im Statistischen Bundesamt jährlich registriert werden, die auf Unwissenheit aber auch auf Vorsatz zurückzuführen sind.
An erster Stelle der Umweltdelikte steht Deutschland mit rund 75 Prozent der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Abfällen (Quelle: Umweltbundesamt). Gemeint sind Verstöße gegen § 326 Strafgesetzbuch - früher als umweltgefährdende Abfallbeseitigung“ bezeichnet. Hier werden jährlich etwa 30.000 Fälle bekannt. Auf Platz zwei folgen Gewässerverunreinigungen mit etwa 15 Prozent. Die dritthäufigste Straftat sind Bodenverunreinigungen mit knapp fünf Prozent. Experten schätzen, daß gerade bei Umweltstraftaten die Dunkelziffer hoch ist. Die Aufklärungsquote liegt im Schnitt bei 65 bis 70 Prozent, seit 1993 werden die Fallzahlen der neuen Bundesländer hinzugezählt.
Abbildung 1: Umweltstraftaten nach dem 29.Abschnitt des StGB -§§ 324 bis 330d (Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik (Quelle: Bundeskriminalamt/Umweltbundesamt)
Nach mehreren spektakulären Fällen von Umweltschäden wurde deutlich, daß es erhebliche Lücken im Bereich der Umweltgesetzgebung gibt. Bei Störfällen, bei denen nicht gegen Vorschriften verstoßen oder grob fahrlässig gehandelt wurde, hatten Staat und Bürger in vielen Mitgliedstaaten keine rechtliche Handhabe. An dieser Stelle kommt ab dem 30. April 2007 die Richtlinie zum Tragen.
Sie zielt darauf ab, einen gemeinsamen Ordnungsrahmen zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden zu vertretbaren Kosten für die Gesellschaft zu schaffen.
Doch was bedeutet das für Unternehmen der metall-, mineralverarbeitenden sowie chemischen Industrie, für Betreiber von Abfallbehandlungsanlagen oder Unternehmen, die mit der Lagerung und Beförderung von gefährlichen Stoffen ihr Geld verdienen? In Bezug auf die Haftungsrisiken und Auswirkungen auf ihren Versicherungsschutz herrschen hier noch Unklarheiten.
Schrottplatz“ auf La Palma (Foto: Hyperfinch)
Ob es zukünftig genügen wird, eine Zertifizierung nach einem Umweltmanagementsystem nachweisen zu können oder ob die Umwelthaftpflichtversicherung einen ausreichenden Schutz bietet, ist bislang unklar. Eine rechtzeitige Vorbereitung auf das neue Recht ist dringend notwendig. Alle genehmigungspflichtigen Tätigkeiten, Gefahrguttransporte und abfallwirtschaftliche Tätigkeiten werden davon betroffen sein.
Laut Richtlinie soll sich die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden am Verursacherprinzip orientieren und gemäß dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung erfolgen. Grundsätzlich wird in der Richtlinie der Betreiber, der durch seine Tätigkeit einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht, finanziell zur Verantwortung gezogen und außerdem dazu veranlaßt, Maßnahmen zu ergreifen und Praktiken zu entwickeln, mit denen die Gefahr von Umweltschäden minimiert und somit das Risiko der finanziellen Inanspruchnahme verringert wird.
Ein Kritikpunkt bei der EG-Richtlinie 2004/35/EG liegt in der Umsetzung des Versicherungsschutzes. Die Unsicherheit bei der finanziellen Abdeckung der Umweltschäden ist ein Schwachpunkt der Richtlinie. Allerdings sieht das Gesetz vor, daß die Kommission sechs Jahre nach Inkrafttreten eine Prüfung durchführen soll. Hierbei soll ermittelt werden, ob es in den Mitgliedstaaten ein ausreichendes Angebot an Möglichkeiten zur Finanzierung etwaiger Sanierungsmaßnahmen nach einem Schadensfall zu einem fairen Preis gibt, zum Beispiel durch entsprechende Versicherungen. Ist dies nicht der Fall, soll die Kommission Gesetzesvorschläge für eine zwingende finanzielle Absicherung im Fall von Umweltschäden vorlegen.
Da die deutschen Versicherer in Europa die wohl umfangreichsten Konzepte zur Absicherung von Umweltschäden anbieten (resultierend auch aus den seit langem bestehenden Wasserhaushalts- und Umwelthaftungsgesetz), ist es sehr schwierig, hier das beste Modell für das jeweilige Unternehmen herauszufiltern. Das soll nicht heißen, daß die Produkte, die sich zur Zeit auf dem Markt befinden, Rundumsorglos-Pakete“ sind, auch wenn gute Policen künftige Haftungsverschärfungen grundsätzlich übernehmen.
Präventiv sollte jedoch jeder Unternehmer sich an die branchenspezifischen DIN-Normen, Verordnungen und Gesetze halten. Denn die Versicherer gehen aufgrund der immer höher werdenden Schadenzahlungen dazu über, Obliegenheitsverletzungen zu suchen, um so einen Umweltschaden nicht begleichen zu müssen. Das Unternehmen muß dann den Schaden selbst tragen.
Viele Unternehmer fühlen sich in einer trügerischen Sicherheit, da das Umwelthaftpflicht-Modell nicht immer allein nur durch die Modell-Bedingungen des Gesamtverbandes Deutscher Versicherungsunternehmen zu einem gutem Produkt wird. Es befinden sich noch viele veraltete Umwelthaftpflicht-Modelle im Umlauf, die nie überprüft wurden, sei es aus Unwissenheit oder wegen der höheren Kosten, die mit einer Anpassung verbunden wären. Auch werden Umwelthaftpflicht-Modelle mit dem Umwelthaftpflicht-Basismodell verwechselt, welches nur als Annexdeckelung“ zur Betriebshaftpflichtversicherung vorgesehen ist.
Je nach Ausstattungen, Versicherungssummen und individuellen Vereinbarungen des Vertrages können Erweiterungen für die Umwelthaftpflichtversicherung große Bedeutung haben, wie zum Beispiel Indoor-Schäden, Brandschäden, Explosionsschäden, Deckungshöchstgrenzen für Aufwendungen vor Eintritt des Versicherungsfalles und Serienschadenklausel Hierfür sind die jeweiligen Deckungshöchstgrenzen nicht zu gering zu wählen, da gerade diese Erweiterungen in einem Schadenfall die Hauptrollen spielen.
Das der Richtlinie zugrunde liegende Verursacherprinzip wird die Betreiber anregen, Schäden zu vermeiden, denn sie müssen in Zukunft für das gerade stehen, was sie verursachen. Umweltpolitische Belange bekommen dadurch in Unternehmensentscheidungen einen neuen Stellenwert. Dies gilt um so mehr, wenn schwerwiegende und entsprechend teure Schäden drohen.
Umwelthaftung schafft auch in Bereichen Anreiz zur Vorbeugung, die bislang von bestehenden Maßnahmen und Gesetzen nicht umfaßt waren. Insofern kann die Richtlinie Lücken schließen und als Chance für den betrieblichen Umweltschutz angesehen werden. Insgesamt ist davon auszugehen, daß diejenigen Unternehmen sicher am besten vorbereitet sind, die bereits nach DIN ISO 14001 zertifiziert sind, die ein über ein ausreichendes Wissen im Umweltrecht verfügen und die entsprechende organisatorische Maßnahmen ergriffen haben. Bei der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland sind Haftungstatbestände, die bereits im Bundes-Bodenschutz-Gesetz, Wasserhaushaltsgesetz, im Gefahrgutrecht oder bei der Abfallverbringung existieren, zu berücksichtigen, um für alle Unternehmen verschiedener Branchen die gleichen Voraussetzungen zu schaffen.
(Quelle: MüllMagazin, Heft 2, 2005)
Kontakt: Dr. Beate Kummer, Haase & Naundorf Umweltconsulting GmbH, Mülheimer Straße 15, D-53604 Bad Honnef, Tel. 02224-96037-20, Fax -96037-29, eMail: beate.kummer@hnu.de, Internet: www.hnu.de.
Ingo Tscharntke, Tscharntke Risk & Insurance Consulting, Auf der Kaule 23, D-51427 Bergisch Gladbach, Tel. 02204.919532.
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