Vertrauen in den Staat nimmt ab – Angriffe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst dagegen weiter zu
Laut der aktuellen dbb-Bürgerbefragung sehen zwei Drittel der Befragten in nahezu allen Bevölkerungs- und Wählergruppen den Staat in Bezug auf seine Aufgaben und Probleme – insbesondere hinsichtlich der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Schul- und Bildungspolitik und dem Klima- und Umweltschutz als überfordert an.
Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates sinkt damit auf einen neuen Tiefpunkt. Dabei zeichnet sich eine sich immer stärker hervortretende Spaltung der Gesellschaft ab: Während im Westen als die wichtigsten Aufgaben des Staates der Klimaschutz, Migrationsfragen und die Unterstützung der Ukraine gesehen werden, sind es im Osten eher die Entlastung der Bevölkerung von Inflationsfolgen, der soziale Ausgleich und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. Besorgniserregend ist auch, dass Übergriffe auf öffentlich Bedienstete weiter zunehmen. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten ist selbst beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden. 80 Prozent der Befragten nimmt dabei eine generelle Verrohung der Gesellschaft wahr. Die Ergebnisse sind aus Sicht des DStGB mehr als alarmierend.
Das Vertrauen in den Staat und seine Leistungsfähigkeit nimmt weiter ab. Damit setzen sich die Ergebnisse der dbb-Bürgerbefragung zum öffentlichen Dienst im letzten Jahr fort, der vor allem für die politischen Institutionen auf Bundesebene eingetreten war. Aufgrund des anhaltenden großen Unmuts über das Krisenmanagement der „Ampel“-Koalition vor allem bei der Versorgung mit sicherer und bezahlbarer Energie sowie der Eindämmung der hohen Inflationsrate ist dieser Einfluss auch bei den Ergebnissen der aktuellen Bürgerbefragung öffentlicher Dienst unverändert vorhanden. Insgesamt vertrauen nur noch rund 27 Prozent der Menschen in die Fähigkeit des Staates, seine vielfältigen Aufgaben und Probleme erfüllen bzw. lösen zu können.2022 war zudem der Anteil derer, die eine Abnahme der Leistungsfähigkeit des Staates wahrgenommen hatten, im Vergleich zu den Jahren zuvor gestiegen. Dieser Eindruck hat sich auch in den aktuellen Ergebnissen wieder bestätigt. Dass der Staat angesichts der Fülle seiner Aufgaben und Probleme überfordert sei, meint aktuell mit 69 Prozent eine deutliche Mehrheit der Befragten insgesamt und auch eine Mehrheit in nahezu allen Bevölkerungs- und Wählergruppen. Dabei sind es 77 Prozent der Befragten in Ostdeutschland, die davon überzeugt sind und 68 Prozent im Westen.Trotz vermuteter Überforderung des Staates und eines Rückgangs des Anteils derer, die den Staat für leistungsfähig halten, glauben die Befragten, dass der Staat an sich vielfältige wichtige Aufgaben zu bewältigen hat. So ist es für die Mehrheit sehr wichtig, dass sich der Staat um die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft kümmert, aber auch um eine Verbesserung der Infra- und Verkehrsstruktur, er zudem Investitionen für den Klimaschutz wie den Ausbau der erneuerbaren Energien aufbringt und den Ausbau bzw. die Modernisierung und Digitalisierung des öffentlichen Dienstes vorantreibt. Während im Westen Klimaschutz, Migrationsfragen und die Unterstützung der Ukraine als wichtigste Staatsaufgaben gesehen werden, sind es im Osten eher die Entlastung der Bevölkerung von Inflationsfolgen, der soziale Ausgleich und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. Bei der Einschätzung der Bedeutung der Aufgaben zeigen sich nicht nur große Differenzen zwischen den Anhängern der Regierungs- und der Oppositionsparteien, sondern auch mitunter deutliche Unterschiede zwischen den Anhängern der drei Parteien der regierenden „Ampel-Koalition“. Es scheint den Parteien, die die amtierende Bundesregierung bilden, derzeit kaum zu gelingen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen heterogenen Bevölkerungsgruppen zu erreichen.Um die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrecht zu erhalten bzw. zu verbessern, wünschen sich die Befragten insbesondere eine schnellere und bessere Terminvergabe für die Anliegen der Bürger, eine konsequente Digitalisierung aller Aufgaben des öffentlichen Dienstes und eine Verbesserung von Beratung und Service für die Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig kann in einer umfangreichen Digitalisierung kein „Allheilsbringer“ gesehen werden, zumal fast zwei Fünftel der Befragten nach wie vor großen Wert auf den persönlichen Kontakt mit den Behördenmitarbeitern legen.Optimierungen in der öffentlichen Verwaltung im Sinne des Abbaus bürokratischer Hürden und Hemmnisse und eine bessere Übersichtlichkeit der Behördenstrukturen für die Befragten werden insbesondere im Bereich Gesundheit und Pflege, der Genehmigungsverfahren, im Bildungswesen und bei den Bürgerämtern für besonders dringlich und erforderlich gehalten. Dass dies durch eine verstärkte Digitalisierung bzw. mehr Angebote zur Erledigung von Aufgaben per Internet erreicht werden könnte, glauben die Bürgerinnen und Bürger am ehesten bei den Bürgerämtern, den Genehmigungsverfahren und der Steuerverwaltung.Nach 2019 hat forsa in diesem Jahr zudem erneut untersucht, in welchem Maße die Bürgerinnen und Bürger Übergriffe auf die verschiedenen Gruppen der öffentlich Beschäftigten wahrgenommen haben und inwieweit die öffentlich Beschäftigten selbst schon einmal Opfer von Übergriffen wurden.Sowohl der Anteil derer, die die Gesellschaft als zunehmend verroht, rücksichtsloser und brutaler ansehen (80 %) als auch der Anteil derer, die in den letzten Jahren Gewalt gegenüber öffentlich Beschäftigten wahrgenommen haben (26 %), hat sich in den letzten vier Jahren kaum verändert. Diese Einschätzung findet sich bei Ost- und Westdeutschen sowie bei Männern und Frauen in ähnlichem Maße. Die jüngeren, unter 30 Jahre alten Bundesbürger/innen sowie diejenigen mit weiterführender Schulbildung (Abitur, Studium) teilen diese Einschätzung etwas seltener als der Durchschnitt aller Befragten.Beobachtet wurde Gewalt in irgendeiner Form insbesondere gegenüber Polizei- (64 %) sowie Rettungskräften bzw. Notärzten und Notärztinnen (60 %). Etwas gestiegen ist in den letzten vier Jahren der Anteil der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, die selbst angeben, schon einmal bei ihrer Tätigkeit behindert, beschimpft oder tätlich angegriffen worden zu sein. Über die Hälfte (54 %) geben dies an. Die 19. dbb-Bürgerbefragung 2023 ist HIER abrufbar. Einzelne Abschnitte sind in diesem Beitrag daraus entnommen worden (Quellenangabe: „dbb Bürgerbefragung 2023 Vertrauen in staatliche Handlungsfähigkeit auf Tiefpunkt – Gewaltbereitschaft steigt“ vom 15. August 2023).Bewertung des DStGB
Die Ergebnisse sind aus Sicht des DStGB mehr als alarmierend. Während in Corona-Zeiten das Vertrauen insbesondere in die Kommunalpolitik stieg, nehmen Ansehen und Vertrauen in politische Institutionen in erster Linie auf Bundes- und Landesebene, aber auch auf kommunaler Ebene, weiter ab. Die Kluft zwischen denjenigen, die mit dem Staat und seinen Institutionen zufrieden sind und derjenigen, die sich allein gelassen fühlen und deren Politik- und Staatsverdrossenheit steigt, wird zunehmend größer. Lokale Politiker/innen sowie die kommunalen Beschäftigten, die sich tagtäglich für das Gemeinwohl einsetzen, müssen oft als Projektionsfläche für den allgemeinen Unmut gegenüber „den Politikern“ oder „der Politik“ herhalten. Dies zeigen auch die aktuellen Ergebnisse des Kommunalmonitorings zu Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern (KoMo) des BKA mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Erwartungen an den Staat sind dabei in aktuellen Krisenzeiten hoch. Die Kommunen stehen vor immensen Herausforderungen, um etwa die Energie- und Klimakrise und die Integration geflüchteter Menschen, bewältigen zu können.Diese Entwicklung müssen wir mit aller Kraft entgegenwirken: Hier sind alle staatlichen Ebenen – Bund, Land, Kommunen – sowie die Politik und die Gesellschaft selbst gefragt zu handeln, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie vor Ort zu stärken und sich schützend vor die Beschäftigten zu stellen. Repräsentanten und Beschäftigte des Staates - insbesondere auch auf kommunaler Ebene - verdienen mehr Wertschätzung, Respekt und Anerkennung. Hierfür brauchen wir mehr Aufklärung, mehr demokratische Teilhabe, mehr politische Bildung in den Schulen, der Jugendarbeit bis zu Demokratiewerkstätten vor Ort, mehr offenen Austausch von Angesicht zu Angesicht. Es muss auch darum gehen, kommunalpolitisches Wissen zu vermitteln, Verständnis für kommunale Entscheidungsfindungen zu fördern und kommunalpolitisches Handeln von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Wir benötigen dauerhafte Strukturen gegen Gewalt und für Toleranz. Dazu gehört auch eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung. Die geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt der Bundeszentrale gehen jedoch in eine andere Richtung, was absolut unverständlich ist. Schließlich müssen wir beim Gesetzesrahmen nachbessern, um Hass und Anfeindungen im Netz im erforderlichen Umfang verfolgen und ahnden zu können. Dieser Rechtsrahmen muss durch Polizei und Justiz allerdings auch konsequent angewandt und ausgeschöpft werden. Es ist unverzichtbar, dass Bund und Länder die Kommunen bei den aktuellen Herausforderungen stärker unterstützen.
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