Energiekrise und Zeitenwende
VKU fordert die BerĂŒcksichtigung von Wasserstoff, der in MĂŒllheizkraftwerken gewonnen wird
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) veröffentlicht anlĂ€sslich seiner Verbandstagung am 6. und 7. MĂ€rz 2023 in Berlin einen 10-Punkte-Plan. Darin appelliert der VKU an die Bundesregierung, einen Schutzschirm fĂŒr Stadtwerke aufzuspannen und jetzt zĂŒgig Investitionen in Infrastrukturen anzuschieben. âZentral ist, dass Politik nun relevante Weichen fĂŒr die weiteren Investitionen in die Energie- und WĂ€rmewende, in Glasfasernetze und klimarobuste Wasserinfrastrukturen schnell stellt.â, so VKU-PrĂ€sident Dr. Ulf KĂ€mpfer und Ingbert Liebing, VKU-HauptgeschĂ€ftsfĂŒhrer. Von leistungsfĂ€higen und klimarobusten Infrastrukturen wĂŒrde auch der deutsche Wirtschaftsstandort nachhaltig profitieren, dessen WettbewerbsfĂ€higkeit zunehmend unter Druck gerĂ€t.
Vorsorglicher Schutzschirm fĂŒr Stadtwerke braucht kein neues Geld: 100 Milliarden Euro Margining-Programm fĂŒr den Börsenhandel erweitern
âMit unseren langfristigen Energie-Beschaffungsstrategien haben wir die Preise gedĂ€mpft, gestreckt und so die Verbraucherinnen und Verbraucher vor schlimmeren Preissteigerungen bewahrt. Nun sinken zwar die Preise an den MĂ€rkten, aber sie liegen immer noch beim Doppelten oder Dreifachen des Vorkrisenniveaus. Es klingt paradox, doch mit den sinkenden Preisen steigen die Ausfallrisiken fĂŒr VerkĂ€uferâ, sagen KĂ€mpfer und Liebing. âEntsprechend mĂŒssen einkaufende Stadtwerke und Energieversorger als KĂ€ufer von Gas, die mehrheitlich im auĂerbörslichen Handel aktiv sind, höhere Sicherheitsleistungen im Terminhandel hinterlegen. Das bindet LiquiditĂ€t, was wiederum den Handel erschwert oder blockiert. Und diese LiquiditĂ€t fehlt am Ende auch fĂŒr notwendige Investitionen in die Energiewende. â
Und weiter: âDeswegen appellieren wir an die Bundesregierung und Ampel-Koalition, vorsorglich einen Schutzschirm fĂŒr Stadtwerke aufzuspannen: Dazu braucht es kein neues Geld. Es sollten das bestehende 100 Milliarden Euro Margining-Programm fĂŒr den Börsenhandel zusammen mit seiner haushaltsrechtlichen Grundlage genutzt und um Phasen sinkender Preise, den auĂerbörslichen Terminhandel und BĂŒrgschaften erweitert werden. Das zugrundeliegende Garantievolumen reicht dafĂŒr völlig aus. Der Vorteil: Haushalt und Steuerzahler wĂŒrden nicht zusĂ€tzlich belastet, dafĂŒr jedoch der Handel beruhigt. Das wiederum könnte einen preisdĂ€mpfenden Effekt haben, von dem auf lange Sicht auch BĂŒrgerinnen und BĂŒrger sowie die Wirtschaft profitieren könnten.â
Wasserstoff statt Fracking, kommunale WÀrmeplÀne forcieren
Bei der notwendigen, weiteren Diversifizierung des Energie-Portfolios setzt der VKU nicht auf Fracking von Erdgas, sondern auf Wasserstoff â und fordert klare Kante der Bundesregierung in BrĂŒssel. Denn fĂŒr die baldige Nutzung von mehr Wasserstoff dĂŒrfe es keine strenge Trennung von Gas- und Wasserstoffnetzen geben. Auch dĂŒrfe Wasserstoff, der bei der Abwasserentsorgung oder bei der Verbrennung von nicht-recycelbarem Abfall in MĂŒllheizkraftwerken gewonnen wird, nicht auĂen vor bleiben. Zudem setzt sich der VKU dafĂŒr ein, kommunale WĂ€rmeplĂ€ne zu forcieren. Beim Schutz der Wasserressourcen, die im Klimawandel zunehmend zum Standortfaktor werden, sollen die Hersteller in die Verantwortung genommen werden. Beim Glasfaserausbau fĂŒr schnelles Internet wirbt der VKU fĂŒr ein Ende der Mitverlegungspflicht und fĂŒr mehr Kooperationen, Open Access und klare Regeln fĂŒr den Einstieg in Glasfaser und den Ausstieg aus Kupfer.
Wir brauchen Monate des Machens. Unser 10 Punkte-Plan fĂŒr ein stĂ€rkeres Land in der Zeitenwende.
Das
Ziel ist klar: noch unabhÀngiger von fossilen Energie(-Importen)
werden, die Ver- und Entsorgung sichern und klimaneutral werden.
Zugleich bleiben die Herausforderungen des Klimawandels, der
Digitalisierung und Demografie, an die sich kommunale Unternehmen
anpassen mĂŒssen. Daseinsvorsorge muss immer und ĂŒberall bezahlbar
bleiben. Das stÀrkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und es stÀrkt
den Wirtschaftsstandort, dessen WettbewerbsfÀhigkeit unter Druck steht.
Politik sollte dafĂŒr rasch Weichen stellen, denn wir brauchen Monate des
Machens:
1. Energiekrise: Krisenmanagement korrigieren, vorsorglichen Schutzschirm fĂŒr Stadtwerke aufspannen
Um
auch in der Krise Stadtwerken angesichts atypisch hoher
Sicherheitsleistungen eine Beschaffung fĂŒr ihre Kunden zu stabilen
Preisen zu ermöglichen, muss Politik das 100 Mrd.-Margining-Programm fĂŒr
den Börsenhandel um BĂŒrgschaften ergĂ€nzen, auf Phasen sinkender Preise
erweitern und den auĂerbörslichen Terminhandel einbeziehen. Das wĂ€re ein
zentraler Bestandteil eines Schutzschirms fĂŒr Stadtwerke.
Die
Preisbremsen erfordern ein technisches Reparaturgesetz mit klaren
Umsetzungsregeln, der Auflösung von WidersprĂŒchen und der KlĂ€rung
beihilferechtlicher Auslegungsfragen. AuĂerdem muss die
Erlösabschöpfung, wie auch von Bundesminister Habeck gefordert, am
30.06.2023 enden - eine drohende VerlÀngerung schwÀcht dramatisch die
Bereitschaft, in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren.
2. Energiewende beschleunigen und absichern
FĂŒr
eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir eine extreme Beschleunigung
des EE-Ausbaus mit weiteren Erleichterungen im Genehmigungsrecht, mehr
Personal in den zustÀndigen Behörden und der Digitalisierung von
Verfahren. Hinzutritt eine Reform des Strommarktdesigns, um die
Versorgungssicherheit in einem klimaneutralen Stromsystem zu sichern.
Eine marktliche Bepreisung von KapazitÀten schafft dauerhaft Anreize,
gesicherte Leistung vorzuhalten. Zugleich muss Politik eine
Kraftwerksstrategie schnell umsetzen und Fakten schaffen, die den Zubau
regelbarer KapazitÀten im Wettbewerb jetzt anreizen und einen
angemessenen Förderrahmen fĂŒr H2-ready-Gaskraftwerken per KWKG-Reform
bieten. Investitionsanreize brauchen wir auch, um den Netzausbau zu
forcieren - hier ist in Punkto Anreizregulierung die Bundesnetzagentur
gefordert.
3. WĂ€rmewende forcieren- aber praxisgerecht
Zudem
brauchen wir mehr Tempo bei der WĂ€rmewende: Das Bundesgesetz zur
kommunalen WĂ€rmeplanung muss schnellstens kommen, flankiert durch eine
Harmonisierung mit dem Bau- und Fachordnungsrecht sowie bestehenden
Förderprogrammen. Bei der GebĂ€udeenergiegesetz-Novelle (GEG) dĂŒrfen
klimaneutrale
Gase und hybride Technologien in der dezentralen WĂ€rmeversorgung nicht ausgeschlossen werden.
Dabei kommt es vor allem auf Akzeptanz und Umsetzbarkeit von Regeln an.
Es braucht Technologieoffenheit und fĂŒr die Transformation der Gasnetze
einen tragfÀhigen Regulierungsrahmen.
4. Wasserstoff: Bundesregierung muss klare Kante in BrĂŒssel zeigen
FĂŒr
den Wasserstoffhochlauf brauchen wir in zwei Streitfragen die
UnterstĂŒtzung der Bundesregierung auf EU-Ebene. Denn geeignete
Rahmenbedingungen sind entscheidend fĂŒr eine breite Anwendung und
Erzeugung, etwa bei der Dekarbonisierung der Industrie.
Erstens
denkt die EU-Kommission an, die Gas- und Wasserstoffnetze streng zu
trennen. Damit wĂŒrden unnötige bĂŒrokratische HĂŒrden errichtet und
effizienter Netzbetrieb verhindert. Besser wÀre, die schon bei Strom-
und Gasnetzen bewÀhrte Unterscheidung zwischen Fernleitungsbetreibern
und Verteilnetzbetreibern zu erhalten. Die Möglichkeit des gemeinsamen
Betriebs von Wasserstoff- und Gasnetzen muss gesichert werden.
Zweitens
muss bei der Wasserstofferzeugung der Grundsatz gelten: Jedes MolekĂŒl
Wasserstoff zÀhlt. So legt die EU-Kommission zwar erstmals klare
Kriterien fĂŒr grĂŒnen Wasserstoff vor, mit denen Stadtwerke ihre
Planungen und Investitionen sowohl fĂŒr den Aufbau eigener
ErzeugungskapazitĂ€ten als auch fĂŒr Anwendung von Wasserstoff
vorantreiben könnten. Allerdings bleibt Wasserstoff, der bei der
Abwasserentsorgung oder bei der Verbrennung von nicht-recycelbarem
Abfall in MĂŒllheizkraftwerken gewonnen wird, auĂen vor.
5. Chancen der Digitalisierung sektorenĂŒbergreifend nutzen
Der
flÀchendeckende Rollout von Smart Metern kann den Netzbetreibern
helfen, WĂ€rmepumpen, Elektrofahrzeuge oder PV-Anlagen besser zu steuern â
also sektorenĂŒbergreifende Strategien fĂŒr KlimaneutralitĂ€t umzusetzen.
Das GNDEW (Gesetz zum Neustart der Energiewende) geht an vieles
pragmatisch heran, allerdings sind die ambitionierten Zeitziele und
offenen Fragen der Refinanzierung nach wie vor Baustellen. Die
Elektrifizierung des Verkehrssektors bleibt eine Herausforderung. Die
Bundesnetzagentur muss fĂŒr die ĂŒberfĂ€llige Umsetzung des § 14a EnWG zu
steuerbaren Verbrauchseinrichtungen den notwendigen Rahmen schaffen,
damit wir die NetzstabilitÀt bei immer mehr Elektroautos und anderen
neuen Anlagen sichern können.
6. Schnelles Internet: Glasfaserausbau entschlossen vorantreiben
SektorenĂŒbergreifende
Strategien fĂŒr KlimaneutralitĂ€t, FrĂŒhwarnsysteme zum Schutz vor
Starkregen oder digitale Daseinsvorsorge erhöhen die LebensqualitÀt,
stĂ€rken den Standort und sorgen fĂŒr nachhaltige Entwicklung der
Kommunen.
Basis sind leistungsstarke, digitale Infrastrukturen in
Stadt und Land. Die Digital- und Gigabitstrategie sind eine gute
Grundlage. Um beim Glasfaserausbau fĂŒr schnelles Internet voranzukommen,
brauchen wir zeitnah ein Ende der Mitverlegungspflicht und dafĂŒr mehr
Kooperationen, Open Access und klare Regeln fĂŒr den Einstieg in
Glasfaser und den Ausstieg aus Kupfer. Diese Dinge mĂŒssen zeitnah
angeschoben werden.
7. Fracking ist keine Lösung fĂŒr Versorgungssicherheit
In
der Diskussion ist die Förderung von Erdgas aus unkonventionellen
LagerstĂ€tten durch Fracking. Dabei wĂŒrde Fracking keinen entscheidenden
und notwendigen Beitrag zur Energieversorgung leisten und wir sehen
Gefahren fĂŒr die Sicherheit der Wasserversorgung. Diese Gefahren sollten
wir auf keinen Fall eingehen. Schlimmstenfalls könnte der Trend zu
klimaneutralen Lösungen und grĂŒnem Wasserstoff erlahmen. Auch Akzeptanz
von Fracking in der Bevölkerung sehen wir nicht einmal im Ansatz.
8. Wasser: Die blaue Ressource ist Standortfaktor, schĂŒtzen wir sie
Der
fĂŒr MĂ€rz 2023 geplante Beschluss des Bundeskabinetts ĂŒber die Nationale
Wasserstrategie lenkt zu Recht die politische Aufmerksamkeit auf die
Sicherstellung der öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgung in
QuantitÀt und QualitÀt. Damit diese Kerndienstleistungen der kommunalen
Daseinsvorsorge auch in 30 Jahren noch selbstverstÀndlich rund um die
Uhr in jedem Ort in Deutschland in hoher QualitÀt und bezahlbar zur
VerfĂŒgung gestellt werden können, bedarf es schon heute groĂer
Anstrengungen und erheblicher politischer UnterstĂŒtzung.
Um
ĂŒberall auf ausreichende Ressourcen fĂŒr die Trinkwasserversorger
zugreifen zu können, mĂŒssen diese vor Verunreinigungen geschĂŒtzt und dem
Wasserversorger die notwendigen Mengen - im Knappheitsfall auch vor
anderen Nutzungsinteressenten - zugesichert werden. Ein reduziertes
Dargebot fĂŒr die öffentliche Wasserversorgung beschrĂ€nkt die Entwicklung
in den StÀdten und Gemeinden. Eine erweiterte Herstellerverantwortung,
die GewÀsserverunreinigungen auch ordnungsrechtlich beschrÀnkt und die
Kosten fĂŒr den notwendigen Ausbau und Betrieb von KlĂ€ranlagen dem
Verursacher anlastet, ist geboten.
9. Finanzierung der Wassernetze sichern
Die
Anpassung der Infrastruktur an die Anforderungen durch den Klimawandel
können nicht allein durch den GebĂŒhrenzahler gestemmt werden. Förderung
ist genauso notwendig wie die Beschleunigung von Planung und Genehmigung
wesentlicher Infrastrukturvorhaben. Das neue Deutschlandtempo, wie wir
es aktuell bei LNG und bald auch weiteren Energienetzen sehen, sollte
auch bei den Wassernetzen greifen.
10. FĂŒr saubere StĂ€dte und besseres Recycling: Orangene Ressource besser nutzen
Ziel
muss sein, die Umwelt zu schĂŒtzen, insbesondere die GewĂ€sser vor
KunststoffeintrĂ€gen. Ein wesentlicher Beitrag hierfĂŒr ist, dass AbfĂ€lle
auch im öffentlichen Raum effizient gesammelt und sortiert werden. Das
erhöht auch die LebensqualitÀt. Ein Meilenstein der Bundesregierung ist
daher der Start des Einwegkunststofffonds mit rund 430 Millionen Euro.
Erstmals werden die Hersteller von Einwegkunststoffen an den Kosten der
kommunalen Stadtreinigung beteiligt. Wermutstropfen:
Nicht-Einwegkunststoffe sind noch auĂen vor: Wir hoffen, den Fonds
perspektivisch zu einem Anti-Littering-Fonds weiterzuentwickeln.Der 10 Punkte-Plan
Copyright: | © Verband Kommunaler Unternhemen e.V. (VKU) (06.03.2023) |
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