Betriebliche RĂĽckstellung als Sicherheitsleistung bei Betrieb einer Deponie?

Neues Urteil des BVerwG vom 26.6.2008 – 7 C 50.07 – zur Sicherheitsleistung

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer grundsätzlichen Entscheidung zur Art und Weise der Sicherheitsleistung bei dem Betrieb einer Deponie geäußert. Im Kern ging es um die Frage, ob handelsrechtlich zu bildende betriebliche Rückstellungen ein taugliches Sicherungsmittel darstellen. Wegen der grundsätzlichen Erwägungen des Gerichts zum Verhältnis von Europarecht, Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und der Deponieverordnung ist die Entscheidung für die Entsorgungspraxis über den Einzelfall hinaus von besonderem Interesse. Schließlich spielt im Konzert der Rechtsnormen, die in der Entscheidung zutage treten, auch noch die TA Abfall eine Nebenrolle, in der ebenfalls Regelungen zur Sicherheitsleistung bei dem Betrieb einer Deponie enthalten sind.
 
1. Sachverhalt
Die Klägerin betreibt eine Deponie in Nordrhein-Westfalen. FĂĽr den weiteren Betrieb der Deponie erhielt sie einen Plangenehmigungsbescheid, der allerdings mit Auflagen und Bedingungen versehen war. In einer Auflage wurde der Deponiebetreiberin aufgegeben, fĂĽr den Weiterbetrieb eine ausreichende Sicherheit in Höhe von 19 Mio. € nachzuweisen. Weiter hieĂź es in dem Bescheid, die Sicherheitsleistung könne durch die in § 232 BGB vorgesehene Form oder durch andere Sicherungsmittel, die geeignet seien, den angestrebten Sicherungszweck zu erfĂĽllen, erbracht werden. Reine RĂĽckstellungen wĂĽrden als Sicherheit nicht akzeptiert. Jedoch könne ein Kombinationsmodell aus BankbĂĽrgschaft und RĂĽckstellungen unter bestimmten Bedingungen anerkannt werden. Die Klägerin berief sich auf die Möglichkeit der Sicherheitsleistung durch RĂĽckstellung, wie sie in der Deponieverordnung vorgesehen ist und bot als Sicherheit betriebliche RĂĽckstellungen in Höhe von ca. 64 Mio. € fĂĽr drei auf GrundstĂĽcken ihrer Muttergesellschaft betriebene Deponien an. Die Genehmigungsbehörde hielt eine Sicherheitsleistung durch betriebliche RĂĽckstellungen zwar nicht generell fĂĽr unzulässig. Betriebliche RĂĽckstellungen mĂĽsse die Behörde jedoch nicht als alleiniges Sicherungsmittel akzeptieren, da diese nicht insolvenzsicher seien und das wertloseste Sicherungsmittel darstellten. Die Landesverwaltung in Nordrhein-Westfalen habe daher ein Kombi-Modell entwickelt.
 
2. Rechtlicher Hintergrund
Den rechtlichen Hintergrund des Rechtsstreits bildet ein kompliziertes Geflecht von Rechtsnormen des Europa- und Bundesrechts, was den Überblick nicht einfach macht. Es sollen daher die Bestimmungen kurz dargestellt werden: Ausgangspunkt im Europarecht ist die Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien – die sogenannte Deponierichtlinie. Hier findet sich in Art. 8 bereits – unter der Überschrift „Voraussetzungen für die Genehmigung“ – eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass „der Antragsteller vor Beginn des Deponiebetriebs angemessene Vorkehrungen in Form einer finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas anderem Gleichwertigen nach von den Mitlgliedstaaten festzulegenden Modalitäten getroffen hat, damit Nachsorgeanforderungen erfüllt werden können“.
Zentrale Vorschrift im KrW-/AbfG ist in dem hier interessierenden Zusammenhang § 32 KrW-/AbfG. Abs. 3 dieser Bestimmung ermächtigt die zuständige Behörde, vom Inhaber einer Deponie für die Rekultivierung sowie zur Verhinderung oder Beseitigung von Beeinträchtigungen des Wohles der Allgemeinheit nach Stilllegung der Anlage eine Sicherheit zu fordern. Sinn der Regelung ist es, im Falle der Insolvenz des Deponie-Inhabers zu verhindern, dass die Allgemeinheit die Kosten für die Nachsorge der Deponie bezahlen muss. Aufgrund einer durch das Artikelgesetz vorgenommenen Änderung lässt Abs. 3 auch ein „gleichwertiges Sicherungsmittel“ zu. Die Änderung des Abs. 3 diente der Umsetzung des Art. 8 lit a Doppelbuchstabe ii der Deponie-Richtlinie, der dem Deponiebetreiber zur Absicherung der Stilllegungs- und Nachsorgepflichten vor Beginn des Deponiebetriebs „angemessene Vorkehrungen in Form einer finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas anderem Gleichwertigen nach den von den Mitgliedstaaten festzulegenden Modalitäten“ abverlangt. Neben der schon bislang im KrW-/AbfG enthaltenen finanziellen Sicherheitsleistung kommen als gleichwertige andere Sicherungsmittel die insbesondere bei öffentlich-rechtlich betriebenen Deponien in der Praxis gebräuchlichen staatlichen Gewährleistungen in Betracht (BT-Drs 14/4599, 149). § 19 Abs. 6 DepV spricht insoweit von den Einstandspflichten von Bund, Land und Kommunen. Hinsichtlich des „Ob“ der Sicherheitsleistung räumt der Wortlaut des Abs. 3 der Behörde zwar ein Ermessen ein, jedoch hat der Verordnungsgeber die Behörde in § 19 DepV angewiesen, vom Träger des Vorhabens eine Sicherheit zu fordern. Ein weitere Abweichung vom KrW-/AbfG findet sich in § 19 Abs. 4 Satz 2 DepV. Nach dieser Bestimmung, die im Mittelpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stand, können neben den „klassischen“ Sicherungsmitteln auch handelsrechtlich zu bildende betriebliche Rückstellungen als gleichwertige Sicherheit verlangt oder zugelassen werden.
 
3. Grundlinien der Entscheidung
Im Ergebnis hat das Bundesverwaltungsgericht eine betriebliche Rückstellung als ausreichendes Sicherungsmittel nicht anerkannt. In der Begründung setzt sich das Gericht ausführlich mit dem Verhältnis von europäischem Recht, Bundesgesetz und Verordnung auseinander und prüft die Vereinbarkeit der Deponieverordnung mit dem KrW-/AbfG.
Unangetastet lässt das Gericht zunächst § 19 Abs. 1 DepV, der eine zwingende Verpflichtung des Deponiebetreibers zur Sicherheitsleistung festgeschrieben hat und der Behörde – anders als es der Wortlaut des § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG vorgibt – einen Ermessensspielraum verwehrt. Zu einem Verstoß gegen höherrangiges Gesetzesrecht kommt das Bundesverwaltungsgericht nicht, da das Gesetz richtlinienkonform dahin auszulegen sei, dass der Behörde über ein Tätigwerden im Regelfall hinaus eine Verpflichtung erwachse. Ein Ermessen sei ihr damit nicht mehr eingeräumt. Dass Gemeinschaftsrecht eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts erfordere, sei einhellige Meinung sowohl des Europäischen Gerichtshofs wie auch der nationalen Gerichte. Anders verfährt das Gericht mit der Bestimmung des § 19 Abs. 4 Satz 2 DepV, die es für nichtig erklärt, soweit dort eine handelsrechtlich zu bildende Rücklage als Sicherungsmittel zugelassen wird. § 36c Abs. 4 KrW-/AbfG ermächtige zu bestimmen, dass die Inhaber bestimmter Deponien eine Sicherheit leisten oder ein anderes gleichwertiges Sicherungsmittel erbringen müssten, sowie Vorschriften über die Art, den Umfang und die Höhe der nach § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG zu leistenden Sicherheit oder eines anderen gleichwertigen Sicherungsmittels zu erlassen. Der Verordnungsgeber sei damit aber nur berechtigt gewesen, sogenannte insolvenzfeste Sicherungsmittel einzuführen, wie sie in § 232 Abs. 1 BGB ihren Niederschlag gefunden hätten. Die betriebliche Rückstellung sei jedoch kein insolvenzfestes Sicherungsmittel, was nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zulässig sei. Mit der Bildung einer betrieblichen Rückstellung widme der Schuldner die betreffenden Mittel lediglich dem Sicherungszweck, es bestünden aber keinerlei nach außen wirkende, im Insolvenzverfahren wirksam geschützte Rechte der Behörde an der Rückstellung, sondern lediglich die schuldrechtliche Verpflichtung des Anlagenbetreibers zur zweckentsprechenden Verwendung der Mittel.
 
4. Sicherheitsleistung im zukĂĽnftigen UGB
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kommt zunächst nicht überraschend, was die Ermessensvorschrift des § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG betrifft. Die Ansicht, dass das „Kann“ in § 32 Abs. 3 KrW-/AbfG als „Muss“ zu lesen ist, war bereits seit geraumer Zeit weit verbreitete Meinung in der Kommentarliteratur. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr diese zutreffende Ansicht in der Literatur bestätigt. Es dürfte allerdings angezeigt sein, in dem kommenden Umweltgesetzbuch sogleich für entsprechende Klarheit zu sorgen. In § 72 Abs. 1 UGB-Entwurf heißt es hierzu noch, dass die Genehmigungsbehörde verlangen soll, dass der Inhaber einer Deponie zur Sicherstellung der für die Errichtung, den Betrieb und die Stilllegung geltenden Anforderungen Sicherheit leistet oder ein gleichwertiges Sicherungsmittel erbringt. Die Sollbestimmung bedeutet im juristischen Sprachgebrauch, dass Ausnahmen in atypischen Fällen möglich sind. Eine Atypik ließe sich wohl allenfalls bei Deponien annehmen, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften betrieben werden, was jedoch ebenfalls europarechtlich zweifelhaft wäre. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bietet nun Gelegenheit, die UGB-Bestimmung von vornherein als zwingendes Recht auszugestalten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Ăśbrigen ĂĽberzeugend herausgearbeitet, dass die handelsrechtlich zu bildende betriebliche RĂĽckstellung nicht als gleichwertiges Sicherungsmittel angesehen werden kann. Man wird die Entscheidung damit als eine RĂĽckbesinnung auf die TA Abfall vom 31.1.1990 ansehen dĂĽrfen, die in der Entscheidung auch zitiert wird. Bereits hier war in Ziffer 3.2.1, Abs. 2 dargelegt, dass bei Festlegung der Sicherungsart insbesondere die Konkursfestigkeit des Sicherungsmittels zu berĂĽcksichtigen ist. Auch in der Kommentarliteratur ist hervorgehoben worden, dass bei der Festlegung der Sicherungsart die Insolvenzfestigkeit des Sicherungsmittels zu berĂĽcksichtigen ist. Der Ausgang des Rechtsstreits dĂĽrfte daher fĂĽr die Entsorgungspraxis nicht wirklich ĂĽberraschend gekommen sein.
 
(Dr. Christoph Klages, Richter am Verwaltungsgericht Trier)



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH (22.09.2008)
 
Name:

Passwort:

 Angemeldet bleiben

Passwort vergessen?

 

LeichtweiĂź-Institut
Physikalische und biologische
Aufbereitungs- und Behandlungs-
technologien, TU Braunschweig