Nachrichten:
Es ist eine ziemlich beindruckende Zahl, die Professor Dr. Frank Otto unter seine Kalkulation setzt: 250.000 Euro. âDiese Einnahmen könnte etwa jede zweite Altablagerung in Deutschland jĂ€hrlich erwirtschaften â ĂŒber einen Zeitraum von schĂ€tzungsweise 10 bis 25 Jahrenâ, sagt der erfahrene Geotechniker.
Und zwar allein mit Strom aus Deponiegas, dessen Potenzial noch
bisher ungenutzt unter unzÀhligen Brachlandschaften der Republik
schlummert. Ănderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2017) machen
es jetzt möglich, dieses Potenzial zu Tage zu fördern. Passend dazu
entwickelte Prof. Otto gemeinsam mit Diplomchemiker JĂŒrgen Kanitz an der
Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) ein Verfahren, mit dem
Altdeponien nicht nur nachhaltig saniert, sondern auch energetisch
genutzt werden könnten. PĂŒnktlich zur Weltklimakonferenz liefern die
Bochumer Forscher damit eine innovative Idee, die Wirtschaftlichkeit und
Umweltschutz vereint.
Wie das funktioniert? Auch nach Jahrzehnten gÀrt es in vielen
ehemaligen HausmĂŒlldeponien. Oft sind sie nur unzureichend gegen den
unerwĂŒnschten Austritt von Methangas oder kontaminiertem Sickerwasser
gesichert. Das austretende Methan ist rund 25 Mal schĂ€dlicher fĂŒr das
Klima als CO2. âAllein in Deutschland gibt es rund 106.000
Altablagerungen. Bei einem GroĂteil kann man davon ausgehen, dass sie
noch immer biologisch aktiv sindâ, erklĂ€rt Prof. Otto.
Mit
gezielten Bohrungen saugen die THGA-Wissenschaftler methanhaltiges
Deponiegas ab, damit frischer Sauerstoff einströmen kann. âDas
organische Material wird dadurch kontrolliert zersetzt â zum Teil durch
Sauerstoff-liebende Bakterien, teils durch Bakterien, die ohne
Sauerstoff auskommenâ, so Otto. âErstere produzieren CO2 und WĂ€rme,
letztere in der warmen Umgebung das Methan.â So lange bis alles
verwertet ist, könnte dieses Deponiegas bei gröĂeren Altablagerungen und
Altdeponien Kleinkraftwerke antreiben.
Ein oftmals langwieriger
Prozess, weiĂ der Geotechnik-Ingenieur: âBis zu 25 Jahre dauert es, bis
kein reaktionsfĂ€higes, organisches Material mehr vorhanden ist â in
jedem dieser maximal 25 Jahre könnten bis zu 250.000 Euro Einnahmen
durch den Verkauf von Strom erzielt werden, den man in das Netz
einspeistâ, rechnet der Professor vor. âDie WĂ€rmeleistung, die erzeugt
wird, ist hier nicht einmal inbegriffen und kĂ€me noch on-top.â Auch
trotz der bis zu 1,5 Millionen Euro, die im Vorfeld pro Deponie
investiert werden mĂŒssten, kĂ€me so ĂŒber die Jahre ein ordentliches
SĂŒmmchen zusammen.
Diese lukrativen Zahlen mĂŒssten die Kommunen
eigentlich aufhorchen lassen, rumort doch unter vielen Gemeinde ein
MĂŒllproblem. Bisher durften die Kommunen die Ausgasungen aus alten
Deponien allerdings nur zur Gefahrenabwehr fördern â nicht, um daraus
einen finanziellen Nutzen zu ziehen. Ein Umstand, der sich mit der
Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2017 teilweise
geĂ€ndert hat. Ab sofort könnten die StĂ€dte, gegebenenfalls ĂŒber ihre
Töchter, ihren miefenden MĂŒll zu Geld machen. Daher arbeiten die
THGA-Experten im Verbund UniverCity Bochum auch eng mit dem Umweltamt
der Stadt Bochum zusammen.
Doch die wirtschaftlichen und
ökologischen Aspekte des neuen Verfahrens sind noch um einiges
nachhaltiger â und haben eine deutlich lĂ€ngere Halbwertszeit: Ist
nÀmlich nach einigen Jahrzehnten die Gasproduktion vollstÀndig zum
Erliegen gekommen, kann die Deponie geöffnet werden und endlich das
âUrban Miningâ beginnen: âBeim so genannten stĂ€dtischen Bergbau werden
alte MĂŒllhalden noch mal zu ergiebigen Rohstoffminen, aus denen sich
wertvolle Ressourcen wie Eisen oder Kupfer und Energierohstoffe gewinnen
lassen.â
Durch diese abschlieĂende Komplettsanierung ergeben
sich gleichzeitig völlig neue Nutzungsmöglichkeiten auf den ehemals
belasteten Gebieten, erklĂ€rt Otto. âWo heute abgestorbene BĂ€ume ins Auge
fallen, könnten wieder begrĂŒnte und bebaute FlĂ€chen entstehen.â Eine
Win-win-Situation â fĂŒr den Gemeinde-Geldbeutel und ein gutes
Stadtklima.
------------------------------------
© Technische Hochschule Georg Agricola
Copyright: | © ASK-EU (17.11.2017) | |