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Schon bei der Konzeption eines Vergabeverfahrens steht die Vergabestelle bei der Festlegung der zu fordernden Eignungsnachweise vor einem Dilemma: Einerseits wird sie bestrebt sein, Eignungsnachweise in möglichst großem Umfang abzufordern, um auf diese Weise eine fundierte Eignungsprüfung durchführen zu können. Andererseits lehrt die Erfahrung, dass häufig auch erfahrene Bieter unvollständige Eignungsnachweise einreichen und damit die Wertungsfähigkeit ihres Angebotes gefährden.
Dieses Dilemma lässt sich nur auflösen, wenn den Vergabestellen ein einigermaßen großer Spielraum bei der Nachforderung von Eignungsnachweisen verbleibt.
Zumindest für den Anwendungsbereich der VOL/A vertrat die Sächsische Vergabespruchpraxis bisher einen pragmatischen Ansatz: Sie behandelte fehlende Eignungsnachweise als fehlende Angaben und Erklärungen i.S.v. § 25 Nr. 1 Abs. 2 a) VOL/A. Da § 25 Nr. 1 Abs. 2 a) VOL/A hinsichtlich des Ausschlusses ein Ermessen einräumt, ging die Vergabekammer Sachsen daher regelmäßig von der Nachforderbarkeit von Unterlagen gemäß § 7 a Nr. 5 VOL/A aus. Durch diese Handhabung wurde es den Vergabestellen im Freistaat Sachsen bisher ermöglicht, für VOL/A-Vergaben ein hohes Niveau für den Eignungsnachweis vorzusehen, ohne dabei dem Risiko zu unterliegen, eine Vielzahl interessanter Angebote wegen formaler Unvollständigkeiten ausschließen zu müssen.
Es steht zu befürchten, dass die Vergabekammer Sachsen künftig von dieser pragmatischen Handhabung abweichen wird: In einer aktuellen Entscheidung zu einer Bauvergabe nach VOB/A (Beschluss vom 13.04.2006, 1/SVK/028-06) vertritt die Vergabekammer Sachsen nunmehr die Auffassung, fehlende Eignungsnachweise seien nicht als Erklärungen i.S.d. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A anzusehen. Daher bestehe auch kein Ermessen im Hinblick auf den Angebotsausschluss. Angebote, denen die geforderten Eignungsnachweise nicht beigefügt sind, seien zwingend auszuschließen. Die Vergabekammer Sachsen bezieht sich insoweit auf die Spruchpraxis des OLG Düsseldorf. Das OLG geht in ständiger Rechtsprechung sowohl für den Anwendungsbereich der VOB als auch der VOL davon aus, dass die Nichtvorlage von geforderten Eignungsnachweisen mit dem Angebot zum zwingenden Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 2 VOL/A bzw. VOB/A führt.
Für die Vergabestellen ist es daher in Sachsen nunmehr um so wichtiger, sich durch die Abfassung der Verdingungsunterlagen die Möglichkeit eine Nachforderung von Eignungsnachweisen offen zu halten. Es bleibt abzuwarten, wie sich das OLG Dresden zur Nachforderung von Eignungsnachweisen positionieren wird. Für die Möglichkeit der Nachforderung sonstiger Angaben und Erklärungen hat das OLG Dresden auf deren Wertungserheblichkeit abgestellt. Dieser Ansatz ließe sich auf fehlende Eignungsnachweise übertragen. Eine rigidere Handhabung bei der Nachforderung von Eignungsnachweisen ist im Interesse einer effektiven und wirtschaftlichen Auftragsvergabe nicht zu wünschen.
Copyright: | © Gaßner, Groth, Siederer & Coll. (01.07.2006) | |