Arsen- und selenbelastete Grundwässer in Südostasien
Geochemiker des KIT untersuchen die natürlichen Freisetzungsmechanismen und entwickeln Handlungsempfehlungen
Belastete Grundwasser findet man vor allem in den Deltaebenen, in denen die Sedimente aus Gebirgen abgelagert werden – zum Beispiel im Red-River-Delta in Vietnam oder im Delta von Ganges und Brahmaputra in Indien und Bangladesh, sagt Professor Thomas Neumann vom IMG. „In diesen dicht besiedelten Regionen gibt es keine zentrale Trinkwasserversorgung und -aufbereitung, deshalb sind so viele Menschen betroffen.“ Der von der WHO empfohlene Grenzwert fur Arsen liegt bei 10 Mikrogramm pro Liter Wasser –in vielen Landern Sudostasiens liegt er zum Teil bei 50, der tatsachlich gemessene Wert kann sogar bei mehreren Tausend Mikrogramm pro Liter liegen. Trinkt man uber langere Zeit verunreinigtes Wasser, kommt es zu gesundheitlichen Problemen: von Hautkrankheiten wie schwarzen Flecken an Handen und Fusen bis hin zu verschiedenen Krebsarten. Neumann und sein Team untersuchen die Mechanismen der Freisetzung von Arsen und Selen ins Grundwasser –um Masnahmen dagegen treffen oder die betroffenen Grundwasserleiter (Aquifere) beim Bohren neuer Brunnen meiden zu konnen. Verantwortlich fur die Freisetzung sind Redoxprozesse: chemische Reaktionen, bei denen ein Reaktionspartner Elektronen auf einen anderen ubertragt. Bei der Verwitterung in den Gebirgen, zum Beispiel im Himalaya, werden Arsen und Selen vermutlich aus Sulfiden freigesetzt, die –wenn Sauerstoff zur Verfugung steht –nicht stabil sind: Dabei bilden sich zum Beispiel Eisenoxide, an die Arsen und Selen binden, und uber die Flusse dann in den Deltaebenen abgelagert werden. Bilden sich dort im Grundwasser Bedingungen aus, in denen kein Sauerstoff zur Verfugung steht, losen sich die Eisenoxide wieder und die daran gebundenen Arsenund Selen-Ionen werden ins Wasser freigesetzt. „esonders hoch ist die Freisetzungsrate, wenn viel organisches Material vorliegt, wie Torf, Pflanzenreste oder auch Abwasser, da durch ihren Abbau Sauerstoff verbraucht wird“, erlautert Dr. Elisabeth Eiche. „erade in den Deltaregionen ist viel organisches Material in den Sedimentschichten eingelagert –beim Arsen ist die Freisetzung ein sehr grosflachiger Prozess, so sind in Bangladesh etwa 40 % des Landes betroffen.“ Bei den Redoxprozessen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ansetzen: Eine Moglichkeit sie zu verhindern, ist das dauerhafte Erhohen oder Absenken des Grundwasserspiegels, sodass die chemischen Verhaltnisse hier stabil bleiben. Helfen konnen auch Filtersysteme, etwa einfache Sandfilter, in denen im Wasser gelostes Eisen durch Beluftung ausgefallt wird Arsen- und selenbelastete Grundwässer in Südostasien Geochemiker des KIT untersuchen die natürlichen Freisetzungsmechanismen und entwickeln Handlungsempfehlungen Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einer Massenvergiftung: 100 Millionen Menschen weltweit sind von arsenverunreinigtem Grundwasser betroffen, besonders in Südostasien. Wasser und Böden verschiedener Regionen sind auch mit Selen belastet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Mineralogie und Geochemie (IMG) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersuchen, durch welche Prozesse Arsen und Selen freigesetzt werden – um gezielte Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Entnahme von Wasserproben mit indischen Forschern zur Bestimmung der Gehalte von unter anderem Selen und Arsen. c IMG Branche Nachric hten und dabei das Arsen oder Selen bindet. Zurzeit konzentriert sich die Forschung des IMG auf die Selenbelastung in der Region Punjab: In der „Kornkammer Indiens“ werden vor allem Reis und Weizen angebaut. Die Nachwuchsgruppe um Dr. Monika Stelling untersucht, welchen Einfluss anthropogene, also von Menschen verursachte, Veranderungen auf das Verhalten von Selen im System Wasser-Boden- Pflanze haben. Als wichtigsten Eintragspfad haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bewasserung identifiziert: Das Selen findet sich nicht im gesamten Bodenprofil, sondern lediglich in den obersten 15 cm. In hoher Konzentration liegt es dagegen an Bewasserungskanalen und auf den stark bewasserten Reisfeldern vor. Nun geht es darum, angepasste Bewasserungszyklen zu entwickeln und den Bauern als Richtlinien an die Hand zu geben. Aber auch darum, herauszufinden, welche Nutzung sich je nach Boden und Wasserqualitat am besten eignet. „ur den Reisanbau braucht man viel mehr Wasser als fur den Weizenanbau. Dies fuhrt zur verstarkten Selenanreicherung im Boden. Gleichzeitig andern sich aber auch die Redoxbedingungen im Boden: Das Selen ist weniger mobil und kann von den Pflanzen nicht so gut aufgenommen werden“, sagt Monika Stelling. Einfluss hat auch die Dungung: „urch verschiedene Ionen, die im Dunger sind, kann bei der Aufnahme in die Pflanze eine Wettbewerbsreaktion mit dem Selen auftreten.“ Anders als Arsen ist das Spurenelement Selen gleichzeitig giftiger Schadstoff und notwendiger Nahrstoff. „ir mussen deshalb in beide Richtungen denken: Ziel unserer Forschung ist auch, den Bauern kunftig Empfehlungen fur die Bepflanzung an die Hand geben zu konnen, ihnen sagen zu konnen, welche Pflanzen und welcher Dunger sich fur stark belastete Gebiete und welche sich fur Mangelgebiete eignen.“ Eine Plattform fur den Erfahrungsaustausch bietet das IMG mit der Tagung „elen 2012“, die am 8. und 9. Oktober am KIT stattfindet. Sie richtet sich an Mineralogen und Chemiker genauso wie an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Agrarwissenschaft, Hydrologie und Hydrogeologie, Biologie, Medizin, Ernahrung und nukleare Entsorgung.
Nähere Informationen:
www.img.kit.edu
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