Lärm aktiv reduzieren - Demonstratoren des EU-Projekts InMar im darmstadtium
Wie Lärm mit aktiven Materialien reduziert werden kann, zeigen Vertreter aus Forschung, Industrie sowie klein- und mittelständischen Unternehmen im Rahmen der Abschlusskonferenz des EU-Projektes InMar am 10. April im darmstadtium.
Für die Menschen in Deutschland stellt Lärm nach wie vor eine der am stärksten empfundenen Umweltbeeinträchtigungen dar. Europaweit sind mehr als 100 Mio. Menschen von der Schallbelastung betroffen. Weil Lärm nicht nur lästig ist, sondern auch krank machen kann, entstehen hierdurch jährlich Kosten, die auf mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt werden. Über die gesundheitsschädlichen Folgen der Lärmbelastung wird am 16. April, dem "Tag gegen Lärm" (International Noise Awareness Day), bundesweit informiert.
Im europäischen Projekt InMar - Intelligent Materials for Active Noise Reduction - wurde vor diesem Hintergrund die Eignung von Funktionsmaterialien und die Leistungsfähigkeit aktiver Struktursysteme zur Schallbekämpfung untersucht. Um die Vibrationen zu reduzieren, verknüpfen die Forscher die sensorische und aktorische Funktion der Werkstoffe mit elektronischen Reglern. Sensoren und Aktoren können gezielt auf veränderliche Betriebsbedingungen reagieren: je nach Schwingungsfrequenz werden gegengleiche Schallwellen in die Struktur eingeleitet. Dies reduziert die Ausbreitung der Schallwellen, die Lärmquelle wird aktiv gedämpft. Damit lassen sich mechanische Eigenschaften wie das Dämpfungsverhalten oder die Steifigkeit per Software anpassen. So können mit Funktionsmaterialien Schwingungen gemindert, Lärm reduziert oder auch die Kontur von Bauteilen kontrolliert werden. Weil sich diese Bauteile im Bedarfsfall gezielt ihrer Umgebung anpassen können, werden sie häufig "intelligent" genannt.
"Mit den meisten entwickelten aktiven Lösungen kann in Autos, Schienenfahrzeugen sowie Infrastrukturelementen die Lärmbelastung um bis zu 10 dB reduziert werden." sagt Projektkoordinator Dr. Thilo Bein vom Fraunhofer LBF. "Schallquellen müssen genau in den Frequenzbereichen reduziert werden, die als sehr belastend empfunden werden. Lärm besteht meist aus vielfach überlagernden Schallwellen in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Durch die Anpassungsfähigkeit aktiver Struktursysteme kann das Schwingungsverhalten in den Bereichen verändert werden, wo sie am effektivsten sind.", erläutert Bein.
Im Zuge der Europäischen Umgebungslärmrichtlinie (2002/49/EG) ist es notwendig, "schädliche Auswirkungen, einschließlich Belästigung, durch Umgebungslärm zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder sie zu vermindern". In diesem Zusammenhang wurden im InMar-Projekt verschiedene Demonstratoren mit intelligenten Materialien entwickelt. Stellvertretend für die 23 Teilprojekte im Bereich Automobile, Schienenfahrzeuge und Infrastrukturen können genannt werden:
- ein PKW-Motorlager zur aktiven Minderung der Vibrationsübertragung in die Karosserie mit intelligenten Materialien. Durch strukturdynamische Messungen wurden signifikante Übertragungswege und -richtungen für den Körperschall im Frequenzbereich von 0 bis 250 Hz identifiziert. Auf Messdaten basierend wurden mit Hilfe von Simulationsrechnungen verschiedene Ansätze des aktiven Eingriffs untersucht.
- ein Kompressor einer Straßenbahn-Klimaanlage, dessen Schwingungen mit einem aktivem Tilger reduziert werden. Hier nutzt man ein passives Masse-Biegefeder-System, das die Schwingungen des Kompressors in einem bestimmten Frequenzbereich reduziert. Mittels aufgeklebter Piezo-Patches können zusätzliche Schwingungen in den eigentlich passiven Tilger eingeleitet werden, die die Eigenfrequenz des Tilgers im Bereich von -12 bis + 3 Hz aktiv verändern.
- ein Schallschutzfenster, um tiefe Frequenzen wie Flugzeuglärm oder Bässe aus Discotheken abzuhalten. "Das Fenster kann Testsignale im Frequenzbereich zwischen 50 und 1000 Hz um durchschnittlich sechs Dezibel verringern - der Ton ist hinter dem Fenster nur noch halb so laut.", sagt Joachim Bös, von der TU Darmstadt, Fachgebiet Systemzuverlässigkeit und Maschinenakustik. "Die Lautstärke einzelner Testsignale kann sogar um bis zu 15 Dezibel reduziert werden." Was das Motorengetöse von Passagierflugzeugen betrifft, erwarten die Experten zukünftig eine Lärmreduktion unterhalb 1000 Hz von bis zu 10 dB.
Die Mitglieder des InMar-Forschungskonsortiums: Fraunhofer LBF, AVL, LMS, Micromega, D2S, KUL, ULB, VW, Ford, Siemens, FEV, EADS, IGAM, ERAS, Smart Materials, DLR, UniBW HH, TU Darmstadt, Rieter, Schindler, EMPA, Renault, Saint-Gobain Glass, TechnoFirst, CNAM, C.R.F., Lucchini, CIRA, PoliMi, PanPhonics, VTT, TNO, Uni Twente, TU Delft, Bombardier, Volvo, KTH, ISVR, INASMET, IMMG, Bute.
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