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Im vergangenen Jahr sind die Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg zurückgegangen. Umweltministerin Thekla Walker freut sich über die Fortschritte, spricht aber auch über Schwierigkeiten und erklärt, warum der Einsatz für den Klimaschutz so wichtig ist.
Staatsanzeiger: Die aktuellen Zahlen für die CO2-Reduzierung sind erfreulich. Doch nach dem Klimagesetz des Landes müssen bis 2030 noch 50 Prozent des heutigen Treibhausgasausstoßes eingespart werden. Ist das zu schaffen?
Thekla Walker: Die Ziele sind erreichbar. Einzelne Sektoren sind nach dem jüngsten Projektionsbericht
ja schon gut aufgestellt. Bei der Energiewirtschaft zum Beispiel. Wenn
die Kraftwerksstrategie des Bundes jetzt schnell umgesetzt wird und die
letzten Kohlekraftwerke wie angekündigt bis 2030 vom Netz gehen, dann
erreichen wir unsere Ziele.
Staatsanzeiger: Wird es mit dem Abschalten der
Kohlekraftwerke nicht schwierig? Immerhin gibt es zwei neue Kraftwerke
in Karlsruhe und Mannheim.
Thekla Walker: Deshalb brauchen wir die
Kraftwerksstrategie jetzt. Denn wir müssen diese Kraftwerkstandorte
entsprechend transformieren. Wir brauchen einen Fuel-Switch hin zu Wasserstoff oder auch übergangsweise Gas. Die EnBW macht das ja bereits an drei älteren Standorten im Land.
Staatsanzeiger: Wie wollen Sie sicherstellen, dass
Baden-Württemberg bei den Ausschreibungen, die Ende des Jahres starten
könnten, berücksichtigt wird?
Thekla Walker: Bundeswirtschaftsminister Habeck hat
klar gesagt, dass die Kraftwerke systemdienlich sein müssen, also gerade
auch dort entstehen sollen, wo viel Industrie ist und wo es
Netzengpässe gibt. Davon ist Süddeutschland besonders betroffen, auch
wenn wir bei den erneuerbaren Energien inzwischen gute Zubauraten haben. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass wir bei den Ausschreibungen zum Zug kommen werden.
Staatsanzeiger: Ein Sorgenkind bleibt der Verkehr.
Er ist für ein Drittel der Emissionen im Land verantwortlich. Doch trotz
aller Bemühungen – von Kaufprämien über Radförderung bis zum Ausbau des
öffentlichen Nahverkehrs – kommt man hier nicht voran.
Thekla Walker: Der Vorteil im Verkehrsbereich ist,
dass dem Kauf eines Elektroautos keine langfristige Planung mit extrem
hohen Investitionskosten wie etwa im Kraftwerksbereich vorangeht. Der
Hochlauf der Elektromobilität könnte schnell einen Sprung machen, wenn
die Rahmenbedingungen stimmen.
Staatsanzeiger: Woran hakt es?
Thekla Walker: Ich denke, dass Diskussionen über den
Verbrennungsmotor, wie wir sie zurzeit auf europäischer und nationaler
Ebene hören, die Menschen verunsichern. Sie fördern eine Entscheidung
für ein E-Auto nicht. Und es hilft auch nicht, wenn dann Förderprogramme
eingestellt werden. Selbst die Autohersteller sind ja nicht glücklich
über die Debatten. Denn die haben konkrete wirtschaftliche Folgen.
Weltweit wächst der Marktanteil der E-Mobilität enorm. Deutschland hinkt
hinterher. Für Hersteller, die sowohl Export als auch Heimatmarkt
brauchen, ist das eine Zwickmühle. Da hat die Konkurrenz aus China es
derzeit einfacher.
Auch vor dem Hintergrund der Preissteigerungen für fossile
Brennstoffe in den kommenden Jahren finde ich die Diskussion
unverantwortlich.
Staatsanzeiger: Auch der Bedarf bei der
energetischen Gebäudesanierung ist hoch. Von einer Sanierungsrate von
zwei Prozent, die seit Jahren gefordert wird, sind wir immer noch weit
entfernt. Ein Punkt dabei ist auch, dass Menschen oft lange auf einen
Termin bei der Energieberatung warten müssen.
Thekla Walker: Der Gebäudesektor
übererfüllt das Ziel 2030. Dennoch ist klar, wir können nicht alles
fördern und mitfinanzieren. Aber wir müssen die Energieagenturen
stärken. Das ist unsere wichtigste Beratungsebene im Land. Die machen
einen super Job. Gerade auch kleine Kommunen brauchen diese Fachleute im
Hintergrund, die die Prozesse vor Ort begleiten. Deshalb ist die
Stärkung der Energieagenturen auch eine meiner wichtigsten Prioritäten
in den Beratungen für den kommenden Haushalt.
Staatsanzeiger: Anders als die Bundesregierung hält Baden-Württemberg beim Thema CO2-Emissionen an den Sektorenzielen fest. Warum halten Sie die Sektorenziele für so wichtig?
Thekla Walker: Wir haben dadurch eine große
Transparenz und sehen genau, wo noch nachgesteuert werden muss, damit
wir unsere Ziele erreichen. Denn am Ende muss jeder Sektor bei Null
stehen. Deswegen kann es aus meiner Sicht auch keinen Verschiebebahnhof
geben. Das haben uns auch die Wissenschaftler ganz klar gesagt.
Staatsanzeiger: Also kann der Energiesektor die zu hohen Treibhausgase im Verkehr nicht ausgleichen?
Thekla Walker: Nein. Auch wenn dadurch die
Gesamtbilanz kurzfristig vielleicht besser aussieht. Aber wir brauchen
eine Bilanz, die insgesamt funktioniert. Und deshalb müssen wir auch
Klarheit darüber haben, wo jeder Sektor steht und schauen, welche
Stellschrauben möglicherweise noch verändert werden müssen. So können
wir auch transparent machen, welche Möglichkeiten das Land hat und wo
Bund oder EU noch nachsteuern müssen, damit Ziele erreicht werden
können.
Staatsanzeiger: Baden-Württemberg ist stärker vom
Klimawandel betroffen als andere Regionen. Zugleich schreitet der
Klimawandel schneller voran als noch vor einigen Jahren angenommen. Was
bedeutet das für den Südwesten?
Thekla Walker: Wir spüren jetzt schon, welche
Auswirkungen der weltweite Temperaturanstieg von fast 1,5 Grad hat. Bei
uns liegt die Temperatursteigerung derzeit bei 1,7 Grad, in manchen
Regionen sogar höher. Wir haben dadurch auch eine höhere Ansammlung von
Luftfeuchtigkeit. Man sagt, ein Grad plus sind sieben Prozent mehr
Wasser in der Luft, die bei bestimmten Wetterkonstellationen dann auch
runterkommen. Das haben wir Ende Juni in Baden-Württemberg und Bayern
auf dramatische Weise mit dem Starkregen erlebt. Das zeigt: Jedes
zehntel Grad, was wir reduzieren können und jede Tonne CO2, die wir einsparen, lohnt sich. Es ist jetzt schon ein Wettlauf mit der Zeit, dass wir solche Wetterextreme als Folge des Klimawandels in der Zukunft überhaupt noch steuern können.
Staatsanzeiger: Wie wollen Sie die Menschen dann vom Klimaschutz überzeugen?
Thekla Walker: Man sollte das Thema Klimaschutz
nicht immer nur von den Katastrophen aus erzählen. Klimaschutz bedeutet
auch eine lebenswertere Umgebung, saubere Luft, günstige und sichere
Energie. Beim Thema Anpassung an den Klimawandel geht es oft auch um
Renaturierung, um mehr Versickerungsflächen für Wasser, also auch um
mehr Grün in den Städten. Letztendlich geht es um ein Plus an
Lebensqualität, und dafür lohnt es sich, Klimaschutz zu betreiben. Nicht
für abstrakte Zahlen.
Staatsanzeiger: Auch die Wärmewende trägt zum
Klimaschutz bei. Am Oberrhein bietet die Tiefengeothermie große Chancen.
Dennoch haben viele Menschen 
Vorbehalte. Wie wollen Sie die ausräumen?
Thekla Walker: Dass wir die Möglichkeit der tiefen Geothermie
haben, ist ein Segen. Wärme aus dem Boden stinkt nicht, raucht nicht,
macht keinen Krach und braucht wenig Platz. Wir müssen viel über
positive Beispiele informieren, wie München, wo die hydrothermale
Geothermie seit Jahren problemlos funktioniert und ausgebaut wird. Im
Land gestatten wir auch nur hydrothermale, risikoarme Verfahren. Die
Fehler der Vergangenheit dürfen wir nicht verschweigen. Wir müssen aber
auch deutlich machen, dass es sich dabei um andere Verfahren gehandelt
hat. Staufen mit der Bodenhebung war zum Beispiel gar keine
Tiefengeothermie.
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