Auf der Düsseldorfer Kunststoffmesse ,K 2007' spielt das Thema Verpackungsrecycling keine Rolle. "Die Verwertung funktioniert und gehört mittlerweile zum Business", sagt Dr. Peter Orth, Hauptgeschäftsführer von PlasticsEurope Deutschland, im Gespräch mit dem ENTSORGA-Magazin. Klar ist auch: Je komplexer Verpackungen werden, umso schwieriger sind sie zu recyceln. Orth plädiert daher für die Gleichbehandlung der thermischen Verwertung.
(13.10.07) ENTSORGA: Kunststoffe boomen - in Deutschland, aber auch weltweit. Welchem Marktsegment ist das zu verdanken?
Orth: An erster Stelle dem Verpackungsmarkt. Aus Kunststoffen lassen sich Verpackungen fast in beliebigen Formen und Farben herstellen - das ist für immer mehr Hersteller von Waren des täglichen Bedarfs ein wichtiges Verkaufskriterium. Außerdem wird der Verbraucherschutz immer anspruchsvoller, Transport und Logistik verändern sich. Also müssen immer neue Verpackungen entwickelt werden und das geht eben am besten mit Kunststoff. Derzeit sind rund 60 Prozent aller Verpackungen aus Polymeren und der Anteil wird weiter steigen.
ENTSORGA: Auf der diesjährigen ,K' spielt das Thema Kunststoffrecycling keine Rolle. Warum nicht?
Orth: Die Kunststoffverwertung ist in Deutschland auf einem guten Weg. Wir haben ausreichend Anlagen und Verfahren und immer mehr davon sind auch wirtschaftlich. So gesehen ist die Verwertung Alltag geworden. Dass Kunststoffe verwertet werden müssen, ist mittlerweile bei allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette angekommen, es gehört heute schlicht zum Business.
ENTSORGA: Was genau funktioniert gut in der deutschen Verwertungspraxis, was weniger?
Orth: Das Wichtigste: Die Verwertungssicherheit ist gewährleistet. Kunststoffabfälle werden heute nicht mehr exportiert, nicht mehr deponiert und nicht mehr gelagert, weil Anlagen oder geeignete Verfahren fehlen; wir haben eine breite Palette von Techniken entwickelt und für nahezu jede Art von Kunststoffabfall ein geeignetes Verfahren. Was interessant ist: Abfall ändert derzeit seinen Charakter in unserem Bewusstsein. Abfall wird zur wertvollen Ressource. Das gilt insbesondere für Kunststoffe mit ihrem hohen Energiegehalt.
ENTSORGA: Große Fortschritte gab es in den letzten Jahren in der Sortiertechnik - vor allem, weil die Datenverarbeitung sehr schnell geworden ist. Wie verändert das die Verwertung?
Orth: Optische Sensoren ermöglichen heute eine automatische, kontinuierliche und zuverlässige Sortierung unterschiedlicher Kunststoffarten. Dadurch kommen wir zu einer besseren Ausbeute und leichter zu sortenreinen Fraktionen, die sich hochwertig rezyklieren lassen.
ENTSORGA: Brauchen wir dann noch eine getrennte Sammlung?
Orth: Die Getrenntsammlung ist keine zwingende Voraussetzung mehr für die Aufbereitung von Kunststoffen. Dennoch: Aus Sicht der Kunststoffindustrie wäre es ein Fehler, das etablierte System vorschnell aufzugeben. Es wurde mit hohen Investitionen funktionsfähig gemacht, eine Aufgabe hätte den Ruin vieler Firmen zur Folge. Außerdem wurde viel investiert in das Umweltbewusstsein der Bürger, das sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Wenn man das System ändern will, muss man schon triftige Gründe dafür haben, die der Bürger auch verstehen kann. Für eine Kunststoffverwertung ohne Getrenntsammlung ist aus meiner Sicht die Zeit noch nicht reif, aus technischen Gründen nicht und auch von der Infrastruktur her noch nicht.
ENTSORGA: Und was funktioniert in der Verwertungspraxis noch nicht so gut?
Orth: Nicht überall ist die Infrastruktur für die Verwertung so weit entwickelt. In Süd- und Osteuropa stehen die Länder teilweise dort, wo wir vor 20 Jahren waren. Sie brauchen noch einige Zeit, um aufzuholen. Unabhängig davon kritisiere ich, dass wir uns in Deutschland viele Jahre in der öffentlichen Debatte zu stark auf die werkstoffliche Verwertung fokussiert haben. Das war falsch. Es darf keine Priorität einzelner Verwertungswege geben. Wir brauchen neben dem Recycling auch die rohstoffliche und vor allem auch die thermische Verwertung.
ENTSORGA: Welche Rolle sollte künftig die Verbrennung spielen?
Orth: Die thermische Verwertung ist nicht weniger wichtig als das werkstoffliche Recycling. Auf dem Markt müssen die Verfahren miteinander konkurrieren. Wer beispielsweise aus Mischkunststoffen Produkte für den Bausektor herstellt, steht im Wettbewerb mit demjenigen, der daraus Ersatzbrennstoffe macht. Wenn sich herausstellt, dass der thermische Weg günstiger ist, sollte das akzeptiert werden.
ENTSORGA: Design for Recycling galt noch vor wenigen Jahren als wichtiger Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Davon ist wenig geblieben. Heute sind Verpackungen eher schwer zu recyceln, weil sie Kunststoffe mit anderen Materialien kombinieren oder untrennbare Verbunde einsetzen. Wie beurteilen Sie das?
Orth: Bei der Entwicklung von Verpackungen steht nicht das möglichst einfache Recycling im Vordergrund. Das ist in der Mehrzahl der Fälle auch gar nicht sinnvoll, weil andere Dinge wichtiger sind, beispielsweise die Sicherheit beim Transport oder die Hygiene und Haltbarkeit der Ware.
ENTSORGA: Genau diese Entwicklungen machen die Verpackung komplex und erschweren das klassische Recycling...
Orth: Das stimmt, aber das ist in meinen Augen nicht schlimm. Der Verwertungsmarkt ist mittlerweile ein Nachfragemarkt, das heißt für viele Kunststoffabfälle wird heute gutes Geld gezahlt, die Zeit der Zuzahlungen für Verwerter haben wir so gut wie hinter uns. Der Nachfragemarkt sorgt dafür, dass auch für schwierigere Abfälle die entsprechenden Verfahren entwickelt werden. Ganz einfach, weil die Nachfrage nach der Ressource Kunststoffabfall ständig wächst.
ENTSORGA: Funkchips auf der Verpackung sollen künftig über Herkunft, Lagerung und Kühlkette der Ware informieren. Im Kunststoff integrierte Sensoren zeigen an, ob die Ware frisch und unversehrt ist. Können solche High-Tech-Verpackungen noch recycelt werden?
Orth: Durch Funkchips wird ein Recycling komplizierter, das ist klar. Aber die Trennung von Polymer und Metall beispielsweise ist für moderne Sortiertechnik kein Problem. Das Kupfer in den Chips ist eine wertvolle Ressource. Schon aus diesem Grund wird es Verfahren geben, um das Metall zurückzugewinnen. Und wenn für komplexe Verpackungen eine vernünftige Verwertung die thermische Verwertung ist, ist mir das auch recht. Fast alle Produkte des täglichen Lebens sind heute sehr komplex und bestehen aus einer Vielzahl von Materialien. Warum sollte das bei Verpackungen anders sein?
ENTSORGA: Wie sieht in zehn Jahren eine Verpackung aus und wie wird sie verwertet?
Orth: Die Bedürfnisse des Verbrauchers, beispielsweise nach Information, Sicherheit und Komfort werden immer wichtiger. Die Verpackung hilft, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Außerdem werden die Ansprüche an Distribution und Lagerung steigen, auch das wird Einfluss auf die Verpackung haben. Ich betone noch einmal: Die Verwertung am Lebensende kann für das Design und die Auswahl der Materialien nicht prioritär sein. Wir haben in der öffentlichen Diskussion gelegentlich das Pferd von hinten aufgezäumt. Wir sollten allmählich zur Normalität zurückkehren....
Interessen der Kunststofferzeuger
Copyright: | © Deutscher Fachverlag (DFV) | |
Quelle: | Oktober 2007 (Oktober 2007) | |
Seiten: | 3 | |
Preis inkl. MwSt.: | € 0,00 | |
Autor: | Christa Friedl | |
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